Dr. Vik. Schultz

Studiendirektor Dr. Victor G. M. Schultz

* 17.3.1891 Soltau
† 30.11.1963 Müssen, Lage (Lippe)

Studiendirektor Dr. Victor G. M. Schultz

# Entom.;
Deutschland; Mitglied des Österr. Ent. Ver. Wien vor 1900 (?); Porträt im "Fotoalbum Österr. Ent. Ver. Wien" (Archiv H. Malicky, Lunz). (Lage (Lippe), auch Müssen;)
Nachruf Victor Schultz (aus Natur und Heimat 24)
Coleopterologen aus Westfalen und Umgebung (aus Abh. Landesmuseum Naturkunde Münster 33/2)
Einer der bekanntesten und erfahrensten Schmetterlings- und Käferforscher im ostwestfälisch-lippischen Raum, Dr. Victor G. M. SCHULTZ aus Müssen bei Lage (Lippe), ist am 30. November 1963 im Alter von 72 Jahren verstorben. Er war seit 1950 Mitglied des Naturwissenschaftlichen Vereins Bielefeld und nahm auch gelegentlich an Exkursionen teil, die er durch seine großen entomologischen Kenntnisse bereicherte. Dr. SCHULTZ stammte aus Soltau in der Lüneburger Heide. Angeregt durch die damals noch weithin unberührte Naturlandschaft und von seinen Eltern verständnisvoll gefördert, fand er schon als Schüler eine Vorliebe für Insekten, besonders für die Schmetterlinge. Die damalige Wiedereinführung des biologischen Unterrichts an den höheren Schulen kam seinen Neigungen entgegen und brachte ihn in Verbindung mit gleichgesinnten Schülern und Lehrern, die es gleich ihm mit Netz, Sammelbüchse und Köder in die Natur hinauszog. Nach dem Besuch des Johanneums in Lüneburg studierte er Philosophie, Deutsch, Englisch und Französisch an den Universitäten Jena, Leipzig und Kiel und wurde bereits mit 22 Jahren mit einer Arbeit „Das persönliche Geschlecht unpersönlicher Substantiva (mit Einschluß der Tiernamen) bei Spenser*)" zum Dr. phil. promoviert. Seiner Naturliebe blieb er auch als Student treu und nutzte die Möglichkeiten der Universität, neben seinem eigentlichen Fachstudium auch seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse zu vertiefen. Selbst im 1. Weltkrieg, den er vom Anfang bis zum Ende mitgemacht hat, konnte er manche wertvolle entomologische Beobachtung machen. Nach dem Kriege legte Dr. SCHULTZ 1919 die wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt ab und trat in den höheren Schuldienst ein. Er war zunächst in Goslar, Hameln, Quakenbrück und Geestemünde tätig, wo er sich 1926 mit Else HOLZBERG vermählte. Der Ehe entsproß eine Tochter, die heute mit dem Bielefelder Studienrat Helmut BECKMANN verheiratet ist. 1929 wurde Dr. SCHULTZ zum Direktor der Freiligrath-Schule in Lage (Lippe) berufen, wo er fortan blieb. Dank seines Geschicks in Gelddingen konnte er sich 1936 in Müssen bei Lage ein schönes eigenes Haus bauen, das da
*) Edward Spenser, 1553—1599, neben Shakespeare der bedeutendste englische Dichter der Renaissance-Zeit.
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mals noch fast allein inmitten der sanft gewellten lippischen Landschaft lag. Hier ging er neben seinem Beruf seinen entomologischen Forschungen in aller Intensität nach, die ihm auch Trost und Ablenkung brachten, als er auf nationalsozialistische Einwirkung hin die Leitung der Schule aufgeben mußte. Dr. SCHULTZ war nicht nur Sammler, obwohl er mit Leidenschaft sammelte; auch präparierte er Schmetterlinge und Käfer mit wohl unerreichter Sorgfalt und ordnete sie so in die Insektenkästen ein, daß das Betrachten der Sammlung allein schon ein hoher Genuß war. Viel wichtiger war ihm die Beobachtung der Lebensweise und der Entwicklungsstadien der Schmetterlinge und der Käfer, worüber er, unterstützt von einer ausgezeichneten Beobachtungsgabe, genaueste Aufzeichnungen machte. Ein beträchtlicher Teil seines großen Gartens mußte dazu — sehr zum Kummer seiner gartenliebenden Frau — in einem verwilderten Zustand bleiben, um ein reiches Insektenleben zu ermöglichen. In der Aufzucht der Tiere, auch der als schwierig geltenden (die ihn besonders reizten), bewies er eine glückliche Hand. In einer Ecke seines Arbeitszimmers stand als „Heiligtum" ein Schrank mit Dutzenden von Aufzuchtröhrchen und -gläsern. Täglich wurden hier, unter getreuer Mithilfe von Frau SCHULTZ, die verschiedensten Arten von Futter erneuert, die Raupen umgesetzt, verpuppungsreife oder geschlüpfte Tiere abgesondert, Notizen über Eiablagen, Häutungen, Schlupfdaten gemacht und fotografische Aufnahmen hergestellt. Schon der damit verbundene Aufwand an Zeit und Fleiß war bewundernswert. Die besondere Aufmerksamkeit von Dr. SCHULTZ gehörte den Kleinschmetterlingen; für rund 100 Arten konnte er die Erstnachweise im ostwestfälisch-lippischen Raum bringen und damit die Kenntnisse über ihre Verbreitung sehr erweitern. Später, etwa ab 1950, wandte er sich den Käfern zu, unter ihnen vor allem den Lauf-, Rüssel- und Kurzflügelkäfern. Mit großem Geschick wendete er so schwierige Methoden wie die zur Unterscheidung wichtig gewordene Genitalpräparation an. Zahlreiche dieser feinen Präparate sind in seiner Insektensammlung zu finden, die etwa 10 000 Schmetterlinge und 12 000 Käfer umfaßt und sich heute beim Landesmuseum für Naturkunde in Münster befindet. Seine Beobachtungen und Erfahrungen hielt er in weit über 100 Veröffentlichungen in Fachzeitschriften fest; darin widmete er sich auch Fragen der Namengebung und anderen wissenschaftstheoretischen Problemen. Auch die Berichte des Naturwissenschaftlichen Vereins Bielefeld wurden durch sie bereichert. Durch die Publikationen kam Dr. SCHULTZ in Verbindung mit allen führenden Entomologen seiner Zeit und wurde von mehreren Fachinstitu
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tionen im In- und Ausland zum korrespondierenden Mitglied ernannt. So ist sein Lebenslauf ein Beispiel dafür, wie eine Liebhaberei, systematisch gepflegt und vervollkommnet, zu einer fruchtbaren Nebentätigkeit heranwachsen kann, die dem wissenschaftlichen Fortschritt dient; auf eine Mitarbeit dieser Art und Qualität kann die Wissenschaft nicht verzichten. Doch eine Liebhaberei blieb es, denn Dr. SCHULTZ war auch von seinem pädagogischen Beruf erfüllt und galt als ein geist- und einfallsreicher Lehrer. Er litt sehr unter der ihm im Dritten Reich auferlegten Berufsbeschränkung und war noch mehr enttäuscht, als er nach dem Kriege nicht in der ihm zustehenden Form rehabilitiert und entschädigt wurde, so daß deswegen eine gewisse Verbitterung in ihm zurückblieb. Als Mensch war Dr. SCHULTZ zurückhaltend und bescheiden, und seiner niedersächsischen Herkunft entsprach es auch, daß er nicht jedermann zu sich vordringen ließ. Wem dies aber gelang, der lernte einen höchst vielseitigen, weltoffenen und klugen Menschen kennen, der unermüdlich über ernste wie heitere Dinge plaudern konnte und seine Besucher stets entzückte. Dann offenbarte er auch eine weitere Liebhaberei: das Schriftstellern und Dichten. Seiner Feder entstammen nicht wenige vergnügte oder besinnliche, von philosophischer Lebenserfahrung geprägte Geschichten und Gedichte, von denen eine Anzahl auch unter dem Pseudonym „Vigidor" veröffentlicht wurden und ihren Verfasser von einer ganz anderen Seite zeigten. Das letzte Lebensjahr Dr. SCHULTZ' war von schwerer Krankheit und schlimmen Leiden überschattet, die nur durch die aufopfernde Pflege seiner Frau gelindert wurden. Wenige Wochen vor seinem Tode erlebte er noch die Freude, das goldene Doktordiplom der Universität Kiel überreicht zu bekommen. Er ruht auf dem Bielefelder Sennefriedhof. Die Entomologie hat mit ihm einen begeisterten Anhänger, Förderer und Forscher verloren, dessen Erinnerung aber am meisten dadurch geehrt würde, daß — wie er dem Verfasser einmal selbst sagte — Jüngere seinem Beispiel folgen und die Tradition der Liebhaberwissenschaft in der Entomologie fortsetzen würden.
Verzeichnis der wissenschaftlichen Veröffentlichungen von VICTOR G. M. SCHULTZ
ER — Entomologische Rundschau, Stuttgart EZ — Entomologische Zeitschrift, Stuttgart IEZ — Internationale Entomologische Zeitschrift, Guben/Lausitz NH — Natur und Heimat, Münster/Westf.


Die Insektensammlungen im Westfälischen Museum für Naturkunde Münster und ihre Sammler (aus Abh. Westf. Mus. Naturkde 63/3)
Die Geschichte des Westfälischen Landesmuseums f Nachruf Victor G.M. Schultz (aus Ber. Natwiss. Ver. Bielefeld 17) ür Naturkunde (aus Abh. Westf. Mus. Naturkde 29/1)
Nachruf Victor Schultz (aus Entomologische Zeitschrift 74)

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