Johannes Gepp, Konrad Thaler und Erwin Führer (1940-2005). Vorstandssitzung der Österreichischen Entomologischen Gesellschaft. Österreich, Wien IX, Biozentrum, 31. Jänner 1997.

Univ.-Prof. Dr. Konrad Thaler

* 19.12.1940 Innsbruck
† 11.7.2005 Stubaier Alpen

Univ.-Prof. Dr. Konrad Thaler

# Arachnologe;



Univ.-Prof. Dr. Konrad Thaler (*1940 - +2005)
Die Nachricht in den Julitagen 2005 traf uns alle wie ein Keulenschlag: Am 11. Juli war Konrad Thaler mit Studenten zu einer Exkursion in die Stubaier Alpen aufgebrochen. Kurz vor Erreichen der Adolf Pichler-Hütte war er plötzlich bewusstlos zusammengebrochen. Studierende unternahmen sofort Wiederbelebungsversuche, per Mobil-Telefon schickten sie einen Notruf aus, binnen weniger Minuten wurde ein Notarzt von einem Hubschrauber abgesetzt - dennoch kam jede Hilfe zu spät. Am 18. Juli haben wir Konrad Thaler auf dem Westfriedhof in Innsbruck zu Grabe getragen.
Konrad Thaler wurde am 19. Dezember 1940 in Innsbruck geboren, maturierte 1958 am Realgymnasium in Innsbruck und begann nach einem Jahr Militärdienst im WS 1959/60 das Biologiestudium (Hauptfach: Zoologie, Nebenfach: Botanik) an der Universität Innsbruck. Bei Prof. Janetschek bearbeitete er ein Dissertationsthema -Über die Spinnenfauna Nordtirols (unter Ausschluss der Linyphiidae und Micryphantidae. Vorarbeiten zu einem Katalog der Großspinnen Nordtirols)- und wurde 1967 zum Dr. phil. promoviert. Von 1964 bis 1970 arbeitete er an der Alpinen Forschungsstelle Obergurgl, zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft, ab 1967 als Universitätsassistent. Ab 1970 war er in dieser Funktion am Institut für Zoologie der Universität Innsbruck tätig. 1978 habilitierte er sich für das Fach Zoologie. 1979 wurde er Leiter der Arbeitsgruppe "Epigäische Arthropoden", ab 1984 der Abteilung "Terrestrische Ökologie und Taxonomie". Seine Forschungsgebiete betrafen vor allem Ökologie, Taxonomie und Biogeographie terrestrischer Arthropoden, der Schwerpunkt lag auf dem Gebiet der Arachnologie. Konrad Thaler hat in der Zeit von 1963 bis 2005 über 210 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, darunter viele große Revisionen oder monographische Studien und ca. 90 Beschreibungen neuer Spinnen-Arten aus den Familien Dysderidae, Mimetidae, Theridiidae, Mysmenidae, Linyphiidae, Erigonidae (heute als Subfamilie der Linyphiidae klassifiziert), Tetragnathidae, Lycosidae, Zoropsidae, Agelenidae, Zodariidae, Dictynidae, Amaurobiidae, Gnaphosidae, Philodromidae und Thomisidae sowie die einer neuen Weberknecht-Art aus der Familie Phalangodidae.
In diesen 210 Publikationen nicht enthalten sind kurze Mitteilungen, Abstracts und Buchbesprechungen sowie 16 für einen breiteren interessierten Leserkreis geschriebene, vor allem biologisch und ökologisch orientierte Übersichtsartikel, die Konrad Thaler in seiner Bescheidenheit als populärwissenschaftliche Artikel bezeichnet hat. Insgesamt hat er fast 300 Publikationen veröffentlicht, viele alleine, viele zusammen mit anderen Autoren, seit 1991 besonders mit Barbara Knoflach, die 1993 seine Frau wurde. Darüber hinaus gibt es mindestens 80 Arbeiten anderer Autoren, an deren Zustandekommen Konrad Thaler wesentlichen Anteil hatte und die ohne die Initiative, Betreuung und Mitarbeit von Konrad Thaler nicht entstanden wären; wieder war es seine Bescheidenheit, die ihn auf die - in den weitaus meisten Fällen völlig berechtigte - Koautorenschaft verzichten ließ. Die Publikationen von Konrad Thaler sind durchwegs Paradigmen perfekt konzipierter und ausgeführter Studien, untermauert mit sorgfältig erhobenen historischen Daten, geschrieben in einer eigenwilligen, sehr humanistisch gefärbten, mit seltenen, teils aus der Mode gekommenen Vokabeln durchsetzten, schönen, grammatikalisch, syntaktisch und semantisch auf hohem Niveau stehenden Sprache. Wissenschaftsgeschichte hat in allen seinen Arbeiten hohen Stellenwert. Seine Publikationen haben Konrad Thaler auf den von ihm erforschten Gebieten international sehr bald in die vorderste Reihe gestellt.
Die Lehrtätigkeit von Konrad Thaler umfasste neben Grundlehrveranstaltungen vor allem Vorlesungen, Seminare und Praktika über Phylogenie und Biologie von Arthropoden, über taxonomisches Arbeiten, Biogeographie, alpine Zoologie, Agrarökologie, Biospeläologie sowie viele Exkursionen. Insgesamt hat er in der Zeit von 1973 bis 2005 41 Diplomarbeiten und in der Zeit von 1985 bis 2005 10 Dissertationen betreut. Neben permanenter intensiver Feldarbeit in den Alpen führte Konrad Thaler zahlreiche Forschungsreisen in den Mittelmeerraum, besonders in die Gebirge Griechenlands, Italiens, Spaniens, Nordwestafrikas und in den Kaukasus durch. Manche dieser Reisen waren mit viel Wagemut verbunden, er war - dies eine andere Facette von ihm - quasi ein intellektueller Abenteurer. Den größeren Teil der von Konrad Thaler beschriebenen neuen Arten - etwa 50 - hat er selbst entdeckt.
Konrad Thaler war ein überaus aktiver und häufig eingeladener Redner. Im Verlauf der vergangenen 40 Jahre hat er auf vielen Kongressen, Tagungen, Symposien insgesamt über 100 Vorträge gehalten, den letzten vier Tage vor seinem Tod bei einer Tagung der Gesellschaft für Angewandte Carabidologie in Windischgarsten über Arealformen bei wirbellosen Tieren in den Ostalpen.
Ich begegnete Konrad Thaler zum ersten Mal vor 46 Jahren. Im Sommer 1959 erschien er in den Lehrveranstaltungen des Faches Zoologie im alten zoologischen Institut der Universität Innsbruck in der Universitätsstraße 4 als hochgewachsener, schlanker, ernster, eher verschlossen wirkender, ungewöhnlich höflicher, leiser und rücksichtsvoller, um Unscheinbarkeit und Zurückhaltung bemühter und dadurch umso auffälligerer und interessanterer Student. Ich war damals schon im 5. Semester, aber die meisten Lehrveranstaltungen wurden von den Hörern aller Semester besucht, und so begegneten wir einander immer öfter in der "alten Zoologie", im botanischen Institut in der Sternwartestraße und auf Exkursionen. Gemeinsam war uns beiden ein intensives, leidenschaftliches Interesse für terrestrische Arthropoden - im Freiland und am Mikroskop -, das sich bei ihm bald auf die Weberknechte und kurze Zeit später auf Spinnen konzentrierte. Konrad Thaler war ein Student, der sein Studium sehr ernst nahm. Er war von früh bis spät im Institut, wenn er nicht auf Exkursion war (daran hat sich in den folgenden 40 Jahren und bis zuletzt kaum etwas geändert). Er wirkte immer konzentriert, er war stets - damals wie in seinem letzten Lebensjahr - ein außergewöhnlich aufmerksamer, geduldiger Zuhörer, der dem andern nie ins Wort fiel; er redete erst, wenn der andere geendet hatte, und er hatte immer Wesentliches - ob zustimmend, abwägend, skeptisch, kritisch oder widersprechend - zu sagen! Nie habe ich Trivialitäten oder gar derbe Worte aus seinem Mund gehört. Gespräche mit ihm waren stets - eben schon in der Studentenzeit - eine intellektuell bereichernde Begegnung. Wenn er sich etwas, das er als richtig und wichtig erkannt hatte, zum Ziel gesetzt hatte, verfolgte er es konsequent und hartnäckig -auch gegen den Widerstand anderer, aber immer mit offenem Visier darum kämpfend. Er erschien uns stets als vornehm zurückhaltender, sehr gebildeter Mensch, sehr kompetenter Kollege, und er galt als akribisch, sehr akademisch und eigentlich schon als so etwas wie ein "Professoroblast". Niemand zweifelte daran, dass er als geborener Wissenschaftler seinen akademischen Weg gehen würde. Aus den vielen Gesprächen und Diskussionen - die nicht nur zoologische und biologische Inhalte hatten, sondern, unserer Jugend entsprechend, auch reichlich philosophischen Themen gewidmet waren - erwuchs eine Freundschaft, die trotz späterer geographischer Distanz unverändert bis zuletzt anhielt. Ich übersiedelte 1962 nach meiner Promotion von der Universität Innsbruck an die Universität Wien, und trotzdem blieben wir in ununterbrochenem Kontakt. Es setzte eine intensive Korrespondenz ein, die bis zuletzt andauerte und die in ihrer Diktion gleich geblieben ist. Wir haben viele, oft lange Briefe gewechselt, in denen es zum größten Teil um terrestrische Arthropoden ging. Mein erster Brief stammt vom 1. November 1962, sein erster vom 11. November 1962. Die Briefe sind mit Maschine geschrieben, später mit Computer, aber viele enthalten handschriftliche Zusätze in seiner charakteristischen, schönen, einprägsamen, kleinen, oft geradezu winzigen Schrift, häufig unter Benützung einer feinen Zeichenfeder; auch seine Handschrift war - so erschien es mir stets - ein Ausdruck seiner Zurückhaltung, Bescheidenheit und seines Bemühens um Unaufdringlichkeit.
Mit der Österreichischen Entomologischen Gesellschaft war Konrad Thaler von Anbeginn an intensiv verbunden. Diese intensive Beziehung hat auch den fachlichen Weg der Gesellschaft wesentlich beeinflusst und die arachnologische Komponente geprägt. So hat er von der ersten Tagung an bis zuletzt alle Veranstaltungen direkt durch seine Vorträge oder indirekt durch die seiner Studierenden außerordentlich bereichert. Von 2002-2005 war er Präsident der Gesellschaft. Ein entscheidendes Verdienst von Konrad Thaler waren seine Idee und sein Vorschlag, neben den jeweils einem bestimmten Thema gewidmeten Fachgesprächen eine zweite jährliche Veranstaltung einzuführen, die in erster Linie den Studierenden zur Verfügung stehen sollte, um die Ergebnisse von Diplomarbeiten und von Dissertationen zu präsentieren. Konrad Thalers Vorschlag wurde von allen begrüßt. Diese so genannten Kolloquien der ÖEG wurden 1986 eingeführt, bisher gab es insgesamt 17, zuletzt jenes in St. Pölten im März 2005. Man kann ermessen, welche enorme Bedeutung diese Kolloquien für die Kontakte zwischen den Entomologen und Arachnologen aller Generationen gehabt haben und weiter haben. Die Idee zu diesen Kolloquien entsprang der ungewöhnlich hohen, anspruchsvollen Auffassung von der Verpflichtung der an den Universitäten Lehrenden. Der Unterricht und die dauernde Bereitschaft für die Studierenden waren ihm ein intensives Anliegen von seiner frühesten Assistentenzeit bis zuletzt. Er hat sich für viele ganz und gar uneigennützig eingesetzt.
Noch einmal ein Sprung zurück in unsere Studentenzeit. Wir beide waren Schüler der Professoren Otto Steinböck, Heinz Janetschek, Hannes An der Lan, Helmut Gams, Arthur Pisek und deren Assistenten und natürlich durch alle diese massiv geprägt. Wir erlernten in erster Linie die organismische Biologie, und wir erlernten eine Wissenschaftssprache, die noch sehr viel Latein und Griechisch und wenig Englisch enthielt. Wir alle mussten später viel nachholen, aber wir haben es nicht auf Kosten des Erlernten, das uns wertvoll war und wertvoll geblieben ist, getan. Das galt im besonderen Maße auch für Konrad Thaler. Er ist der Systematik, Taxonomie, Ökologie und Biogeographie auf der Basis der korrekt determinierten (und allenfalls, wenn als neu erkannt, beschriebenen) Art treu geblieben. Gott sei Dank! kann man nur sagen: Die Zoologie verdankt ihm eine ungeheure Fülle von exakten Daten über exakt bestimmte Tiere.
Zwei Säulen seiner Tätigkeit als Zoologe an der Universität waren ihm also besonders wichtig: einerseits die Lehre und andererseits die Erforschung der Systematik, Ökologie und Verbreitung von Organismen, im besonderen der Spinnen und einiger anderer terrestrischer Arthropoden (so der Isopoden, Opiliones, Diplopoden und mehrerer Insekten-Gruppen). Auf diesen beiden Säulen - so hatte er es bei seinen Lehrern gesehen - konnte man alle Stufen der Universitätslaufbahn erklimmen. Das hat sich geändert. Jeder weiß, dass wir die Lehre und Menschen, die gerne und gut lehren, brauchen, nicht jeder weiß, dass wir dringend Zoologen brauchen, die auch Tiere kennen, aber immerhin: die Gesellschaft und auch die Wissenschaftsgemeinschaft erwartet, dass es Zoologen gibt, die Tiere kennen. Aber beides - Lehre und systematische und taxonomische Forschung - haben in den Evaluationsformularen unserer Universitäten heute nur einen geringen Stellenwert. Das hat Konrad Thaler zutiefst geschmerzt - ob er es jemandem gesagt hat oder nicht, ich weiß es. Und es hat ihn mit Recht geschmerzt! Wir brauchen gute Hochschullehrer, die die Studierenden ordentlich und geduldig unterrichten (so wie es Konrad Thaler getan hat), und wir brauchen Wissenschaftler, die taxonomische Forschung auf hohem Niveau betreiben (so wie es Konrad Thaler getan hat).
Trotzdem hat er das Höchste erreicht, was man als Lehrer und Forscher erreichen kann: das Fortleben in zahlreichen Schülern und das Fortleben in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten von bleibendem Wert und damit das Wirken auf die Wissenschaft von morgen, das Wirken auf Menschen und zukünftige Wissenschaftler, die heute noch gar nicht geboren sind. So gesehen, hat sich Konrad Thaler ohne Zweifel ein Stück Ewigkeit gesichert. Er wird in die Geschichte der Zoologie als der bedeutendste Arachnologe eingehen, den Österreich hervorgebracht hat.
(aus Aspöck H., Entomologica Austriaca Bd. 13, 2006)


Le temps marche si vite - ein Nachruf auf Konrad Thaler
Es fällt schwer, im Augenblick des Schmerzes die Dimension des Verlustes zu ermessen. Die deutschsprachigen Arachnologen werden sich neu orientieren müssen nach dem Wegfall ihrer höchsten fachlichen Instanz. Am 11. Juli 2005 ist Konrad Thaler während einer Studentenexkursion in den Stubaier Alpen im Gebiet der Kalkkögel plötzlich und unerwartet im Alter von 64 Jahren verstorben. Mit ihm ist ein Wissenschaftler "mit heißem Herzen und kühlen Worten" - so von einem langjährigen Freund in der Begräbnisansprache ausgedruckt - von uns gegangen, der weit über die Arachnologie hinaus eine ganze Generation von Zoogeographen, Taxonomen, Hochgebirgsökologen und auch Entomologen geprägt hat.
Konrad Thaler wurde am 19. Dezember 1940 in Innsbruck geboren, der Tiroler Bergwelt hat er zeitlebens die Treue gehalten. Nach Besuch von Volksschule und Realgymnasium in Innsbruck rnaturierte er 1958, diente zwei Jahre beim Bundesheer und begann 1959/60 mit dem Studium der Zoologie und Botanik an der Universität Innsbruck. Seine Lehrer H. Janetschek, O. Steinböck, H. Gams und W. Larcher waren wichtige Repräsentanten einer großen Zeit der alpinen Biogeographie. In seiner 1967 abgeschlossenen Dissertation "Über die Spinnenfauna Nordtirols (unter Ausschluß der Linyphiidae und Micryphantidae. Vorarbeiten zu einem Katalog der Großspinnen Nordtirols)" sah er noch von einer Behandlung der ihm später besonders am Herzen liegenden Zwerg- und Baldachinspinnen ab. Geländeerfahrung und einen reichen Fundus an Material für die nachfolgenden Revisionen sammelte er in sechs Jahren an der Alpinen Forschungsstelle Obergurgl, bevor er 1970 seinen Dienst als Hochschulassistent an der Universität Innsbruck antrat. 1978 reichte er die Habilitationsschrift "Zur Taxonomie und Zoogeographie alpiner Spinnen" ein. Seit 1983 leitete er die Abteilung Terrestrische Ökologie und Taxonomie am Institut für Zoologie und Limnologie der Universität Innsbruck. Von seinen weiteren Funktionen seien nur der Vorsitz des "Centre International de Documentation Arachnologique - CIDA" (1986-1989) - bis zu seinem Tod war er CIDA bzw. später ISA (International Society of Arachnology) Korrespondent für Osterreich - und die Präsidentschaft der Österreichischen Entomologischen Gesellschaft (2002-2005) erwähnt.
Konrad Thaler ist auf dem Zenit seines Schaffens von uns gegangen. Bis zuletzt hat er unermüdlichen Arbeitseifer an den Tag gelegt, so als hätte er geahnt, wie begrenzt seine verbleibende Zeit ist. Die bloßen Fakten sprechen eine eindrückliche Sprache: zwischen 1963 und 2005 war er Autor bzw. Koautor von mehr als 220 Artikeln in Fachzeitschriften. Dabei ist ein kontinuierlicher Anstieg der jährlichen Beiträge zu verzeichnen: während seines Aufenthaltes an der Alpinen Forschungsstelle Obergurgl (1964-1970) veröffentlichte er im Durchschnitt einen, als Hochschulassistent (1970-1978) schon drei, seit seiner Habilitation 1978 sieben Aufsätze pro Jahr. Allein seit 2002 sind 40 Publikationen von ihm erschienen! Nicht inkludiert sind darin populärwissenschaftliche Beiträge, die regelmäßig in den OeAV-Mitteilungen erschienen, sowie Abstracts und Rezensionen. Zwischen 1973 und 2005 hat er 41 Diplomarbeiten und 10 Dissertationen betreut. Dabei überwiegen faunistisch-ökologische vor taxonomisch-morphologischen Studien. Neben Arachniden-Themen wurden auch mehrfach Arbeiten über "Myriapoda" und Coleoptera betreut. Dank der akkuraten Aufzeichnungen von Konrad Thaler wissen wir, dass er genau 100 Vorträge auf österreichischen und internationalen Workshops und Fachtagungen gehalten hat. Den letzten vier Tage vor seinem Tod über "Arealformen bei wirbellosen Tieren in den Ostalpen" auf derJahrestagung der GAC (Gesellschaft für angewandte Carabidologie) im Nationalpark Kalkalpen. Es fällt schwer, aus der Fülle seiner Schriften einzelne Arbeiten hervorzuheben. Bereits die mit 23 Jahren verfasste Publikation über Spinnentiere bei Lunz (THALER 1963) erhielt bleibende Bedeutung durch den ersten und bis vor kurzem einzigen Nachweis von Männchen des regional parthenogenetischen Weberknechtes Megabunus lesserti. Als charakteristische Ausschnitte seines Schaffens seien die beiden fortlaufenden Reihen "Über wenig bekannte Zwergspinnen aus den Alpen", in neun Folgen zwischen 1970 und 1993 erschienen, und "Fragmenta Faunistica Tirolensia" genannt. Unter diesem Motto versuchte Konrad Thaler, im Rahmen einer "partiellen Inventur der Fauna Nordtirols" auch die spärlichen Informationen über wenig beachtete Invertebraten-Gruppen sukzessive zugänglich zu machen. Hier zeigt sich seine zoologische Weitsicht und die Breite seines Interesses besonders beeindruckend. Die Sonderdrucke von Teil 17 (THALER 2005a) hat er noch am Morgen seines Todestages zur Post gebracht. In den letzen Jahren war er verstärkt um zusammenfassende Darstellungen bemüht, so in der "Faunistischen Synopsis" Nordtiroler Spinnen (THALER 1998) und einem Review über die Ökologie hochalpiner Spinnen (THALER 2003a). Nicht zuletzt sei die wissenschaftliche Redaktion des Sammelbandes "Diversität und Biologie von Webspinnen, Skorpionen und anderen Spinnentieren" erwähnt, der Beiträge langjähriger Kooperationspartner enthält und "Österreich als Arbeitsgebiet von Arachnologen" darstellt (THALER 2004a). Für eine angemessene Würdigung seines Lebenswerkes sollte aber vor allem der in den "Beiträgen zur Spinnenfauna Nordtirols" (THALER 1992a, 1994b, 1995c, 1997a, b, 1999a) erreichte Kenntnisstand mit dem zu Beginn seines Schaffens verglichen werden, als die Spinnen "ein trauriges Bild mangelhaftester faunistischer Erforschung" boten (HOLDHAUS 1954). Die Vollendung der Inventarisierung der österreichischen Spinnen (begonnen mit THALER & KNOFLACH 2002 b, 2003 a, 2004 c) war ihm nicht mehr vergönnt.
Das taxonomische Vermächtnis umfasst die Autorenschaft von zwei Gattungen (Carniella, Mysmeniola), 77 bis heute validen Arten und einer Unterart der Spinnen sowie einer Weberknechtart. Von diesen wurden 48 von Konrad Thaler selbst gesammelt. Die neu beschriebenen Taxa verteilen sich auf 17 Familien, wobei das Überwiegen der Linyphiidae (42 Arten) und Amaurobiidae (12 Arten) sowie die geographische Herkunft - hauptsächlich Alpen und Mittelmeergebiet - die Arbeitsschwerpunkte deutlich zum Ausdruck bringen. Andererseits tragen bereits heute 26 Arten aus dem gesamten Tierreich seinen Namen, neben 12 Spinnen zum Beispiel auch vier Dipteren, ein Tardigrade und ein Oligochaet.
Es liegt auf der Hand, dass eine derartige Leistung nur durch höchsten persönlichen Einsatz, mit leidenschaftlichem Forschungstrieb erreicht werden konnte. Für Konrad Thaler war die eigene Wissenschaft zugleich Lebensentwurf. Labor vincit omnia. Insider wissen, dass man Konrad Thaler verlässlich an sieben langen Tagen der Woche am Institut antreffen konnte, wenn er nicht gerade auf Exkursion unterwegs war. Er hatte das Glück, in seiner zweiten Frau Barbara eine ebenso enthusiastische wie talentierte Mitstreiterin gefunden zu haben. Zweifellos stellten die gemeinsamen Jahre eine besonders produktive Phase kooperativen Schaffens dar. In dieser zeit hat sich auch die Arachnofauna der Mediterraneis als weiterer Arbeitsschwerpunkt etabliert.
Im Gegensatz zur hohen internationalen Anerkennung des Lebenswerkes von Konrad Thaler steht die mitunter zurückhaltende Wertschätzung seiner Leistungen am eigenen Institut. Hier wurde ihm immer wieder fehlende Bereitschaft vorgeworfen, aktuelle Trends und Schlagwörter aufzugreifen. Doch er hat zum Beispiel molekularbiologische Methoden nicht grundsätzlich abgelehnt, glaubte aber, dass der konventionell‘ erreichbare Wissensstand noch längst nicht ausgeschöpft sei. Nur durch sein beharrliches Verteidigen der altbewährten Disziplinen ist er zu einem großen Arachnologen des 20. Jahrhunderts geworden, der sich ebenbürtig in die von ihm so verehrten "alten Autoren" einreiht Mit Konrad Thalers Tod ist ein weiterer substanzieller Verlust taxonomischer Expertise in der deutschsprachigen Hochschullandschaft zu beklagen. Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortungsträger Konsequenzen ziehen, bevor es zu spät ist.
Jeder, der Konrad Thaler an seinem Arbeitsplatz besucht hat, war beeindruckt von der geballten Präsenz von Fachliteratur, insbesondere den vielen Originalen alter Standardwerke, und von dem reichen Schatz an Vergleichsmaterial. Mehr aber noch vom Gedächtnis und jederzeit abrufbaren Wissen des Gastgebers. Konrad Thaler konnte ohne Zuhilfenahme von Literatur nahezu jede mitteleuropäische Spinne sofort sicher ansprechen. Wenn er sagte "so etwas habe ich noch nie gesehen" konnte man sicher sein, wirklich eine Besonderheit gefunden zu haben. Als wichtigstes wird aber die persönliche Erfahrung stets zuvorkommender Hilfsbereitschaft, stimulierender Neugier, unverbrauchter Begeisterungsfähigkeit und aufmunternden Zuspruchs in Erinnerung bleiben. Nie werde ich den Augenblick vergessen, als ich ihn zwischen zwei anstrengenden Sitzungen der Studienkommission bat, ein Troglohyphantes-Männchen nachzubestimmen, und er mit den Worten "Danke für den schönen Anblick" vom Binokular aufstand. Niemand hat sein Arbeitszimmer verlassen ohne eine erhellende Einsicht, einen konstruktiven Gedanken, neu geschöpfte Motivation. Es sei an dieser Stelle bemerkt, dass er stets eine offene Tür und ein offenes Ohr für die Anliegen der Studierenden hatte. Nicht ohne Grund bedankten sich Studenten wenige Tage nach seinem Tod auf der Uni-Homepage für den bemerkenswert persönlichen Umgang und die Freude und Hingabe, mit der er gelehrt hat.
Die Fülle der Aufgaben bedingte, dass trotz aller Belastbarkeit und Disziplin die Zeit für die eigentliche Forschung immer gedrängter wurde. Wiederholt hat er von "Papierbergen vor dem Mikroskop" und der "Verlockung der Berge für arachnologische Rufsammlungen" geschrieben. Er selbst sinnierte auf dem 8. Treffen der deutschsprachigen Arachnologen in Salzburg darüber, ob wir in die Berge gehen, weil sie eine so spezielle Fauna beherbergen, oder ob uns die alpinen Spinnen wegen der grundsätzlichen Faszination an der Bergwelt interessieren. Konrad Thalers Leben ist ohne Berge nicht vorstellbar, am wohlsten fühlte er sich jenseits der 3000 m. Konzentration auf das Wesentliche - so könnte die erklärende Botschaft lauten. Längere Sammelreisen führten ihn u. a. in den Kaukasus, die Pyrenäen und das Atlas-Gebirge, wo sich die einheimischen Begleiter "il marche comme un Arabe" (der läuft wie ein Araber) zugeflüstert haben sollen. Legendär sind seine Studentenexkursionen zum Großen Solstein, ins Kaisergebirge, Karwendel, die Stubaier Alpen. Bis zum Schluss ist er dabei vielen jugendlichen Teilnehmern davongelaufen, besonders an ausgesetzten und steilen Passagen. Die Touren fanden bei jedem Wetter statt, oft genug mit dem Resümee, die harten Lebensbedingungen der alpinen Tierwelt nun besser verstehen zu können. Es wirkt fatal, dass Konrad Thaler während seiner letzten regulären Studentenexkursion verstorben ist, wenige Monate, bevor die Pensionierung ihm die ersehnte Zeit für mehr Freilandarbeit und eigene Projekte gegeben hätte. Jetzt müssen sich Freunde, Schüler, Kollegen des Vermächtnisses annehmen - und "jeden Tag wenigstens eine neue Zeile" zu Papier bringen.
Christoph Muster


In memoriam Konrad Thaler - von seinem Freund Jan Buchar

Mit dem plötzlichen Tod von Prof. Dr. Konrad Thaler im Juli 2005 hat die Fachwelt einen der weltweit bedeutendsten Arachnologen verloren.

Die Publikationstätigkeit von Konrad Thaler begann im Jahre 1963 mit einer Arbeit über Spinnentiere aus Lunz. Wie in der Mehrzahl seiner Publikationen stehen auch bei dieser Spinnen aus Österreich im Mittelpunkt, ergänzt durch Bemerkungen über Weberknechte. In einer nächsten Veröffentlichung (Zur Arachnidenfauna der mittleren Ostalpen) präzisiert er bereits einen Leitsatz für sein ganzes Leben: "Trotz der Bemühungen von vier Arachnologen-Generationen (Bonnet 1945: 743) bedürfen die alpinen Arachniden ... in faunistisch-arealkundlicher und taxonomischer, wie auch in ökologisch-zönotischer Hinsicht noch einer intensiven weiteren Bearbeitung (Thaler 1966). Gegenwärtig sind nur Teilgebiete bearbeitet, teilweise in Form einer einfachen Artenliste ohne belegende Fundorte (Thaler 1976)". In der folgenden Arbeit (1966, Fragmenta Faunistica Tirolensia) bringt Konrad Thaler die für ihn charakteristische, exakte bildliche Darstellung der diagnostischen Merkmale zum Ausdruck, ohne überflüssige Linien und ohne Schattierungen. Schon diese erste Publikation in der Reihe Fragmenta Faunistica Tirolensia, (ohne laufende Nummer) enthält - wie alle Fortsetzungen I-XVIII - neben Informationen über Spinnen auch Daten über zahlreiche weitere Tiergruppen, eingeschlossen Crustaceen und Insekten. Der XVIII. Teil erschien bereits als Nachlass, mit einem berührenden Epilog von UD Dr. G. Gärtner.

Besondere Aufmerksamkeit ist in dieser Serie den Diplopoden und dem Überblick über die bisherige Tiroler Literatur der bearbeiteten Tiergruppen gewidmet. Konrad Thaler befasste sich selbst mit der Taxonomie der Diplopoden. Oft wurde er als bester Spezialist zur Determination schwieriger Tiere kontaktiert. Gemeinsam mit den Kollegen E. Meyer und W. Schedl organisierte er den 8. Internationalen Myriapodenkongress in Innsbruck, und er editierte die Sammelschrift zu dieser Tagung.

Konrad Thaler fühlte sich besonders herausgefordert, die schwierige Spinnengruppe der Linyphiidae taxonomisch zu bearbeiten, insbesondere der Unterfamilie Erigoninae. Schwierigkeiten bieten dabei die einfach gebildeten Epigynen der Weibchen; für eine exakte Revision werden auch die besser determinierbaren Männchen benötigt, deren Lebensdauer unter den Bedingungen des Alpenraums aber kürzer ist. Auf dieses Ziel waren viele Exkursionen ausgerichtet; eine zehnteilige Serie "Über einige wenig bekannte Zwergspinnen aus den Alpen" (1969-1993) war die Frucht dieser Anstrengungen. Seit dem Jahre 1974 hat er 24 neue Arten aus dieser Unterfamilie beschrieben. Hauptsächlich ging es um Arten aus Alpen, aber auch von entfernten Ländern (z.B. Peloponnes, Ost-Afrika, Asien). Obwohl er durch den umfassenden Überblick über die Literaturquellen Spinnen aus unterschiedlichen Regionen der Welt beschrieb, galt seine Vorliebe dem Alpenraum. Dies gilt insbesondere für die Spinnen der Unterfamilie Linyphiinae. Schon im Jahr 1968 hat Konrad Thaler eine wegweisende Monographie über die schwierig determinierbare Gattung Porrhomma geschrieben. Diese Arbeit war eine wichtige Grundlage für die Darstellung der Gattung im Bestimmungswerk "Spinnen Mitteleuropas" (1991, Heimer & Nentwig, eds). Weitere Monografien beschäftigen sich mit der Gattung Troglohyphantes und später mit mehreren Artengruppen der umfangreichen Gattung Lepthyphantes.

Einen bedeutenden Beitrag zum Studium der Alpenfauna lieferte das systematische Absuchen von 58 Standorten der Nivalfauna in der Höhe 2900-3500 m. Dort hat er bis zum Jahr 1999 48 Arten gefunden und publiziert sowie die Grenzen zwischen Relikt-Arealen in der Nivalfauna umrissen. Voraussetzung zu dieser Leistung waren die körperliche Rüstigkeit und alpinistische Gewandtheit von Konrad Thaler.

Die heutige Übersicht über die alpine Spinnenfauna entstand schrittweise aus zahlreichen Arbeiten. Die Fülle der Einzelfakten vermochte er in übersichtliche Komplexe einzelner Familien oder Familiengruppen zu gliedern, ergänzt durch die publizierten Daten anderer Autoren. Eine erste Serie erschien in den Jahren 1991-1999 mit sechs Beiträgen unter dem Titel "Beiträge zur Spinnenfauna von Nordtirol", eine zweite in den Jahren 2002 bis 2004, betitelt "Zur Faunistik der Spinnen von Österreich", zusammen mit seiner Gattin Barbara Knoflach als Mitautorin. Sie hat nicht zuletzt diese Publikationen mit brillanten Fotos ergänzt. Teilweise wurden Arbeiten schon in den Jahren 1994-1997 begonnen. Mit J. Buchar hat Konrad Thaler die Familie der Lycosidae bearbeitet ("Die Wolfspinnen von Österreich 1-4. Faunistisch-tiergeographische Übersicht"), und mit B. Knoflach als Erstautor (1998) setzte er unter dem Titel "Kugelspinnen und verwandte Familien von Österreich: Ökofaunistische Übersicht" die Revisionen fort.

Andere konzeptionelle Entwürfe, basierend auf zahlreichen Einzelerkenntnissen, enthalten die Arbeiten "Die Spinnen von Nordtirol: Faunistische Synopsis (1998)". Neben der Geschichte der Erforschung geht es um chorologische Phänomene, Habitat-Typen und ihre Spinnenfauna, um die Besiedlungsgeschichte und Bemerkungen zu anderen ArachnidenOrdnungen (außer Acari). Alle Arbeiten werden durch reichliche Literaturangaben abgerundet.
Konrad Thaler hat insgesamt 78 neue Spinnenarten und eine Unterart beschrieben. Klärung brachten auch viele Arbeiten in Fragen der Synonymie, z.B. Gonatium paradoxa = G. corralipes, Clubiona dvoraki = C. saxatilis, Trichoncus kulczynski = T. auritus, Lathys nielseni = L. bifoveolatus. Mehrmals ging es um komplexe Verhältnisse, die zum Austausch zweier gültiger Namen führten: Larinioides cornutus und L. folium, Alopecosa mariae und A. striatipes, Acantholycosa pyrenaea und A. rupicola etc.

Neben der Taxonomie, Faunistik und Tiergeographie hat Konrad Thaler viel Sorgfalt zahlreichen ökologischen Problemen gewidmet, so z.B. den adventiven Arten, den myrmecophilen, den Höhlen-, Moor- sowie xerothermen Spinnen. Er studierte die Biozönosen von Auwäldern, von sekundären Biotopen, montanen Wäldern und alpinen Wiesen. Konrad Thaler trug zur Kenntnis der Spinnenfauna vieler Länder bei, z.B. der Amaurobiidae aus Griechenland (gemeinsam mit seiner Gattin Barbara Knoflach), den Gnaphosidae aus Kreta (gemeinsam mit der dortigen Arachnologin M. Chatzaki, welche damals als postgraduierte Studentin im Zoologischen Institut in Innsbruck arbeitete), den Lycosidae aus dem Kaukasus und Griechenland (mit J. Buchar und B. Knoflach), den mediterranen Theridiidae (Knoflach & Thaler) und Philodromidae (mit Ch. Muster.), den schweizerischen Arten der Gattung Harpactocrates (mit L. Madlener). Hier ist auch die umfangreiche Publikation "Ökologische Untersuchungen in Schweizerischen Unterengadin" einzureihen, sowie eine tiergeographisch wichtige Arbeit über den Endemismus in der Spinnenfauna der Meeralpen (R. Maurer & K. Thaler).
Die vielen Arbeiten zeigen eine profunde Kenntnis der Geschichte der Erforschung europäischer Spinnen. Drei Forschern ist in Hochachtung je eine Publikation gewidmet - nicht überraschend erinnern sie durch ähnliche Charakterzüge an Konrad Thaler: Prof. P.M. Brignoli, Prof. H. Janetschek und Prof. H. Aspöck.

Konrad Thaler hat als Hochschulpädagoge viele Diplomanden angeleitet und betreut; er war zahlreichen Zoologen behilflich, die ihn im Zoologischen Institut besuchten und gemeinsam mit ihm arbeiteten. Viele Arachnologen aus verschiedenen Ländern danken Konrad Thaler in ihren Publikationen für die Ausleihe von Material und für seine wertvollen Ratschläge. Er setzte seine umsichtige Arbeitsweise auch für andere Funktionen ein, so z.B. als Präsident des C.I.D.A. in den Jahren 1987-1989. Konrad Thaler hinterlässt eine schwierig auszufüllende Lücke in der europäischen Arachnologie.
Prof. Dr. Jan Buchar, Karls-Universität in Prag, Februar 2006


In memoriam Univ. Prof. Dr. phil. Konrad Thaler (1940 - 2005)
von W. SCHEDL & E. MEYER

Am 11. Juli 2005 verstarb Prof. Dr. Konrad Thaler völlig unerwartet an einem Sekundenherztod am 1. Tag einer auf 3 Tage geplanten studentischen Exkursion in die Stubaier Alpen (Senderstal). Trotz Reanimierung durch die Studierenden und trotz Hubschraubereinsatzes konnte der Notarzt nur noch den Tod des bekannten Österreichischen Zoologen feststellen. Alle die ihn kannten bedauern diesen Verlust zutiefst.
Konrad Thaler wurde am 19. Dezember 1940 in Innsbruck geboren. Hier besuchte er die Grundschule und das Akademische Gymnasium (Matura 1958). In Innsbruck leistete er auch 1958/59 seinen Wehrdienst beim Österreichischen Bundesheer ab. Im Wintersemester 1959/60 immatrikulierte er an der Alma mater oenipontana und inskribierte alsbald Zoologie und Botanik an der damaligen philosophischen Fakultät. 1962 übernahm er ein Dissertationsthema über alpine Spinnen bei Prof. Dr. Heinz Janetschek. 1964 wurde er wissenschaftliche Hilfskraft an der Alpinen Forschungsstelle Obergurgl der Universität Innsbruck. Seine Dissertation "Über die Spinnenfauna Nordtirols (unter Ausschluss der Linyphiidae und Microphantidae) - Vorarbeiten zu einem Katalog der Großspinnen Nordtirols" brachte er 1966 zum Abschluss (Promotion 1967). Ab 1970 war Konrad Thaler Hochschulassistent am Institut für Zoologie der Universität Innsbruck, 1978 habilitierte er sich mit dem Thema "Zur Taxonornie und Zoogeographie alpiner Spinnen" an der naturwissenschaftlichen Fakultät für das Fach Zoologie.
Schon 1963 erschien seine erste wissenschaftliche Publikation "Spinnentiere aus Lunz (Niederösterreich) nebst Bemerkungen zu einigen von Kulczynski aus Niederösterreich gemeldeten Arten". Seitdem hat er 227 wissenschaftliche Arbeiten verfasst z.T. mit Ko-Autoren, häufig mit seinen Schülerinnen, aber auch mit zahlreichen Autoren aus dem In- und Ausland. Auch einige populärwissenschaftliche Arbeiten (vor allem in den Mitteilungen des österreichischen Alpenvereins mit exzellenten Fotos seiner Frau Dr. Barbara Knoflach-Thaler) und Kurzmitteilungen scheinen in seinem Schriftenverzeichnis auf. In den letzten 15 Jahren entstanden mehr als 50 vorwiegend arachnologische Arbeiten in Kooperation mit seiner Frau Barbara. Seine Themen haben einen Schwerpunkt in der Taxonomie, Ökologie (inkl. Agrarökologie), Faunistik und Tiergeographie von Webspinnen (Araneae). Seine für einen in der Systematik tätigen Zoologen ungewöhnliche Vielseitigkeit reicht weit über die Spinnen hinaus. Andere Arthropoden-Großtaxa, die Konrad Thaler bearbeitet oder miteingebaut hat, sind unter den Arachnida die Opiliones, Pseudoscorpiones, Scorpiones, Solifugae, Acari (z.B. Caeculidae), weiters Tardigrada und unter den Crustacea die Isopoda. Besondere Anerkennung erhielt Konrad Thaler auch als Myriapodologe. Es war sein Verdienst, dass die Organisation und Durchführung des 8. Int. Congr. für Myriapodologie im Juli 1990 in Innsbruck unserer Abteilung übertragen wurde (MEYER, E., K. THALER & W. SCHEDL eds., Advances in Myriapodology.-Ber. nat.-med. Verein Innsbruck, Suppl. 10, 1992).
Zahlreiche Arbeiten, die auch Insekten betreffen (Collembola, Archaeognatha, Zygentoma, Dermaptera, Saltatoria, Psocoptera, Homoptera, Heteroptera, Thysanoptera, Coleoptera, Megaloptera, Raphidioptera, Hymenoptera, Mecoptera, Diptera, Strepsiptera), findet man in der von Konrad Thaler begründeten Reihe "Fragmenta Faunistica Tirolensia" I (1966) bis XVIII (2005).
Konrad Thaler beschäftigte sich zeitlebens speziell mit der Tierwelt der nivalen und alpinen Stufen von Hochgebirgen der Palaearktis, von den unteren Stufen vor allem die Bereiche mit xerothermen Standorten und Kulturlandflächen mit Vorliebe für die epigäische Arthropodenfauna, die auch genügend Stoff für Diplomarbeiten und Dissertationen seiner zahlreichen Schülerlnnen lieferte. Daneben liebäugelte er mit der Höhlenfauna der Südalpen, der Fränkischen Alb und des Balkans. Exkursionen führten ihn in den Apennin, in die Pyrenäen, Sierra Nevada, zum Atlas, nach Zypern, Griechenland, zu den Kanaren, in den Kaukasus, nach Thailand und u.a. Die Erforschung der Spinnenfauna des Mittelmeerraumes entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem weiteren Schwerpunkt. Seine Arbeiten zur Ökofaunistik betreffen die Analyse der Gemeinschaftsstruktur verschiedener Tiergruppen in einer Reihe von Biotop- und Habitattypen (Kultur- und Agrarland, Wälder, Höhlen, Moore, die alpine und nivale Stufe) aus den Nord-, Zentral- und Südalpen. Dazu gehören auch seine Beiträge zur ökologischen Analyse von Almflächen im Gasteiner Tal und im Bereich des Höhentransektes Glocknerstraße im Rahmen des MaB6-Hochgebirgsprogramm "Hohe Tauern". Derartige Daten wurden unter seiner Leitung auch im Rahmen von Forschungsaufträgen zur Erhebung des Naturinventars (Naturraumbewertung, Umweltverträglichkeitserklärung) im Zuge von Bewilligungsverfahren für diverse Bauvorhaben (Autobahn- und Eisenbahntrassierung, Standortfindung für Sondermülldeponien, Schipistenbau, Fluss-Staukraftwerke) oder als Dokumentation und Grundlagen für die Unterschutzstellung bestimmter Landschaftselemente (Lechauen, Unterengadin) erarbeitet.
Konrad Thaler hat den Ruf als der Taxonom (manche bezeichnen ihn als den schärfsten Taxonomen) für die Spinnenfauna Europas. Im Gegensatz zu vielen Arachnologen war er mit sehr vielen Taxa (ca. 30 Familien) innerhalb der Webspinnen (Araneae) vertraut. Neben der bemerkenswerten Anzahl von Neubeschreibungen (77 Arten aus 15 Familien, 2 Gattungen, Ostalpen: 34 sp., Mediterraneis: 19 sp., weitere aus dem Himalaya, Kaukasus. Afrika, S-Amerika ) wurden vorrangig Probleme der Beta-Taxonomie (Ergänzungen und Erweiterungen von Beschreibungen, Überprüfung von Kombinationen, Erstellen von Schlüsseln) behandelt. Für das Bestimmungsbuch der Spinnen Mitteleuropas erstellte er die Schlüssel für die Gattungen Porrhomma und Troglohyphantes. Den Erfordernissen der Beta-Taxonomie entsprechen auch seine Bemühungen um Fragestellungen der Tiergeographie, nämlich die Festlegung und Interpretation von Artarealen, insbesondere im Zusammenhang mit der postglazialen Entwicklung in den Alpen. 26 neu beschriebene Arten aus den unterschiedlichsten Tiergruppen (Oligochaeta, Tardigrada, verschiedene Insekten-Ordnungen, Acari, Symphyla, mehrere Spinnen-Familien) tragen den Namen "thaleri".
Eines der langfristig angestrebten Ziele seiner wissenschaftlichen Fragestellungen, "die alpine Spinnenfauna als Ergebnis der Geschichte des Gebietes und seiner derzeitigen ökologischen Bedingungen zu begreifen", konnte Konrad Thaler in den 90er Jahren aufbauend auf einer Fülle von Primärdaten durch eine Serie von 6 synoptischen Beiträgen zur Faunistik der Spinnenfauna von Nordtirol zu einem vorläufigen Abschluss bringen. Die von ihm initiierte und weit gediehene Bearbeitung der "Faunistik der Spinnen (Araneae) von Österreich" muss nun von seinen Schülern und Kollegen weitergeführt werden.
Ergebnisse seiner mehrjährigen Studien fanden ihren Niederschlag in weiteren Synthesen, z.B. in "Animal diversity of high altitudes" (zus. mit E. MEYER: Ecological Studies 113), "Nival invertebrate animals in the East Alps" (in Cold-Adapted Organisms, Hrsg. R. MARGESIN & F. SCHINNER) oder "Die Arthropoden des NSG Murnauer Moor" (zus. mit S. LÖSER & E. MEYER). Ein besonderer Höhepunkt war das von K. Thaler 2004 herausgegebene, mit zahlreichen exzellenten Abbildungen versehene Werk über die "Diversität und Biologie von Webspinnen, Skorpionen und anderen Spinnentieren" (Denisia, Linz 12, 600 pp.).
Konrad Thaler war ein "hart arbeitender Wissenschaftler" (DETTNER, K. 2005: Prof. Dr. Konrad Thaler 1940 - 2005. - DGaaE-Nachr. 19(3): 165-167). Seine Arbeitsweise war exakt und akribisch, seine Zeichnungen sind bis ins Detail ausgefeilt und hervorragend zur Determination geeignet. Seine Publikationen sind klar und raumsparend textiert, durch Tabellen präzisiert und treffend mit Abbildungen illustriert.
Zwischen 1979 und 1984 leitete K. Thaler die Arbeitsgruppe "Epigäische Arthropoden". Nach der Emeritierung von Prof. Dr. H. Janetschek (1983) übernahm K. Thaler die Leitung der Abteilung für Terrestrische Ökologie, von da an unter der Bezeichnung Abteilung für Terrestrische Ökologie und Taxonomie. Manche arbeitsreichen Jahre am Institut waren kein Honiglecken, auch unser Institut blieb nicht von Machtkämpfen verschont.
Die Lehrveranstaltung "Ökologische Feldmethoden" sind aus bescheidenen Anfängen durch seine und seiner Mitarbeiter Intensionen zu einem ansprechenden Angebot für Studierende der Zoologie in Innsbruck geworden. Das "Arthropoden-Seminar" hat ihn zum Initiator, noch im Dissertantenraum des zweiten Stockes der Alten Universität. Die von ihm angebotenen Lehrveranstaltungen im Grund- und Hauptstudium zeigen sein Interesse im forschenden Lehren und hatten ihren Schwerpunkt in der Systematik, Taxonomie, Phylogenie und Ökologie der Arthropoden unter Berücksichtigung von Bauplänen, Lebensweise und Verbreitung. Unvergesslich sind seine zahlreichen (ca. 80) ein- und mehrtägigen Exkursionen in die Umgebung von Innsbruck (vom Fuß der Nordkette bis zum Solstein, von Patsch bis zum Patscherkofel, in das Halltal), aber auch "alpine Runden" im Karwendel, Kaisergebirge, Ferwall, Lechtaler, Ötztaler und Stubaier Alpen, Dachstein, Karawanken und Abruzzen. Laut einer von ihm geführten Statistik konnte er dabei insgesamt mehr als 800 Studierenden der Biologie und Zoologie sein umfangreiches Wissen über die Arthropodenfauna, deren Verbreitung, Vorkommen und Lebensumstände vermitteln. Konrad Thaler betreute 41 Diplomarbeiten und 10 Dissertationen, wobei vor allem diverse Spinnenfamilien, Tausendfüßler und Insekten thematische Berücksichtigung fanden.

Konrad Thaler war als Hochschullehrer von seinen Studenten hoch geachtet. Betroffen von der Todesnachricht verfassten die Biologiestudentinnen der Universität Innsbruck folgende berührende Nachricht für ihr Informationsportal (http://biopage.uibk.ac.at/bioinfo):
Lieber Herr Professor Thaler, wir danken Ihnen
für die Freude und Hingabe mit der Sie uns belehrt haben,
für ihren bemerkenswert persönlichen Umgang mit uns Studenten,
für Ihre interessanten Exkursionen, die jedem neue Einblicke gaben und für die Terrestrik begeisterten und einem auch (trotz meist schlechtem Wetter) die Schönheit der Alpen näher brachten,
dass Sie immer ein Ohr für unsere Anliegen hatten,
dass Sie uns als geduldiger Mentor zoologisch ausgebildet haben,
dass Sie neben dem Fachwissen viel menschliche Kompetenz eingebracht haben,
dass Sie uns bei jeder zoologischen Fragestellung mit Rat und Tat zur Seite standen,
dass Sie Ihr extrem umfangreiches Fachwissen mit uns geteilt haben,
dass Sie mit uns individuell verschiedene Tiere bestimmten,
und dass Sie in uns die Freude für die Arthropodenkunde und insbesondere die Arachnologie weckten

Seine Wertschätzung als Kollege vermittelte der Vorstand des Instituts für Zoologie und Limnologie Prof. Reinhard Rieger beim Begräbnis unter anderem mit folgenden Worten: "Jene Momente, in denen ich Konrad Thaler am späten Nachmittag in seinem Arbeitszimmer aufsuchte, um von ihm Rat einzuholen, wie man die Lösung einer schwierigen administrativen Angelegenheit am besten angehen könnte, möchte ich nicht vergessen. Ich bin von solchen Treffen immer mit klareren Gedanken weggegangen, auch wenn wir uns in unseren Ansichten und dem, was uns ein Anliegen war, nicht immer ganz verstanden. Konrad Thaler war eben ein Fachmann auf seinem Spezialgebiet und gleichzeitig eine unabhängige eigenständige Persönlichkeit, und er hatte viel und ernst über die Universität nachgedacht. In den kommenden Zeiten werde ich mir seinen Rat nur mehr aus meinen Erinnerungen holen können".
Neben der Abteilungsleitung übernahm K. Thaler auch zeitweise die Aufgaben des stellvertretenden Institutsvorstandes. Weiters engagierte er sich als Vorsitzender der Studienkommission für die Studienrichtung Biologie (1996 - 2002) mit all den schwierigen und zeitaufwändigen Aufgaben (Beratung von Studenten, Abwicklung von Diplomprüfungen, ca. 90 Abschlüsse pro Jahr, Erstellung des neuen Studienplans), die eine solche Funktion mit sich bringt. Zwischen 1986 und 1989 hatte er den Vorsitz im "Centre International de Documentation Arachnologique" inne, seit 1987 war er Korrespondierendes Mitglied des Landesmuseums Joanneum in Graz, von 2002 bis 2005 leitete er als Präsident die Österreichische Entomologische Gesellschaft (ÖEG). Die Anerkennung in der "scientific community” bekunden seine Tätigkeit als Begutachter für mehr als 20 einschlägige wissenschaftliche Zeitschriften. Posthum wurde ihm in Müncheberg (BRD) am 6. September 2005 anläßlich der SIEEC-Tagung im Deutschen Entomologischen Institut die Ehrenmedaille für die Erforschung der Entomofaunistik Mitteleuropas feierlich verliehen, die einer der Verfasser (W. Sch.) übernahm und der Witwe, Frau Dr. Barbara KnoflachThaler, übergab. Die Berge haben ihn fasziniert, dort holte er sich die Kraft, wenn im Tal die Last der Verpflichtungen überhand nahm. Als kenntnisreicher, zurückhaltender, bescheidener und sympathischer Kollege wird er uns in Erinnerung bleiben. Wir verlieren mit dem Verstorbenen einen Fachmann auf dem Gebiet der Arthropodenkunde und Zoogeographie des Alpenbereiches sowie einen der bedeutendsten deutschsprachigen Arachnologen der Gegenwart.
aus Ber. nat.-med. Verein Innsbruck, Band 92, S. 397-402

Parte Konrad Thaler
Kurzangaben zu Konrad Thaler, aus Tarmann & Thaler-Knoflach (2008)
Nachruf Konrad Thaler (aus Gredleriana Bd. 7)
Epilog zum Nachruf von Jan Buchar auf Konrad Thaler (aus Gredleriana Bd. 7)
Nachruf Konrad Thaler (Ber. naturwiss.-med. Ver. Innsbruck Bd. 92)
Nachruf Konrad Thaler (aus Beiträge zur Entomofaunistik, Bd. 6)
Nachruf Konrad Thaler (aus Ber. nat.-med. Ver. Innsbruck Bd. 92)
Nachruf Konrad Thaler (aus Entomologica Austriaca Bd. 13)
Epilog zum Nachruf Konrad Thaler (aus Gredleriana, Bd. 7)
Nachruf Konrad Thaler (aus Gredleriana, Bd. 7)
Arachnologische Forschung in Österreich, Stand 2003 (aus Denisia, Bd. 8)
Bodenarthropoden-Forschung in Österreich, Stand 2003 (aus Denisia, Bd. 8)
Nachruf Konrad Thaler (aus Entomologische Nachrichten und Berichte Bd. 49)
Gedächtnispreis Konrad Thaler (aus Newsletter der Gesellschaft für Biologische Systematik 16)
Nachruf Konrad Thaler (aus Arachnologische-Mitteilungen 51)
Nachruf Konrad Thaler (aus Beiträge zur Entomologie 56)
Verstorbene Mitglieder der Entomologischen Arbeitsgemeinschaft 2003-2012 (aus Beitr. Naturk. Oberösterreichs 23/1)
Nachruf Konrad Thaler (aus Zoologie - Mitt. Dtsch. Zool. Ges. 2006)
Nachruf Konrad Thaler (aus Veröff. Ferdinandeum 85)

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