Ignaz Schiffermüller

Ignaz Schiffermüller [Schiffermiller]

* 2.11.1727 Hellmonsödt/Linz
† 21.6.1806 Linz

Ignaz Schiffermüller [Schiffermiller]

# Entom., Schmetterlinge, Käfer;

Wie viele Oberösterreicher haben es schon geschafft, dass ihr Name über 200 Jahre hindurch in wissenschaftlichen Publikationen und Werken genannt wird? Ignaz Schiffermüller ist wohl der einzige! Mehr als 10% der in Österreich nachgewiesenen Schmetterlingsarten und -unterarten (und das sind an die 400 Spezies!) tragen seinen Namen.
Ignaz Schiffermüller, so schreibt er sich selbst, erblickte am 2. 11. 1727 in Hellmonsödt, 15 km nördlich von Linz, das Licht der Welt. Insgesamt sind zehn Kinder der Schiffermüllers im Taufbuch eingetragen, acht Buben und zwei Mädchen. Ignaz war das achte Kind. Überraschenderweise finden wir ihn im Schuljahr 1742 - es begann schon Anfang November 1741 und endete Anfang September 1742 - unter den 78 Schülern der "Grammatista" aufgezählt. Schiffermüller besuchte noch im Schuljahr 1746 die "Logici", verließ dann die Schule und trat in den Jesuitenorden ein. Das Noviziat absolvierte er möglicherweise in Trentschin. Nach den Probejahren wiederholte er in Leoben die schönen Wissenschaften und trachtete danach, sich in der griechischen Sprache zu vervollkommnen (1748/49). Im Akademischen Kolleg in Wien widmete er sich von 1749 bis 1752 dem Studium der Philosophie. Nebenbei hörte er bei Pater Joseph Franz Mineralogie und bei Josef Khell Numismatik. Von 1752 bis 1754 gab er selbst am Gymnasium in Passau Grammatikalunterricht. Unter der Anleitung des Jesuiten Johann Baptist Darmani, eines venezianischen Patricius, fing er damals an, sich mit der Botanik zu beschäftigen. Bald übten Mineralogie, Botanik, Entomologie und Ornithologie mehr Reiz auf ihn aus als die Numismatik. Nach einem Jahr in Wiener Neustadt (1755), wo er Poesie und Rhetorik lehrte, kehrte er wieder nach Wien zurück. Von 1755 bis 1759 studierte er dort an der Universität dogmatische Theologie und erwarb das Bakkalaureat. Inzwischen wurde er auch zum Priester geweiht und wurde 1759/60 als Subregent und Präfekt im Seminarium des heiligen Pankraz eingestellt. Im Jahre 1759 kam er auch an die k. k. Theresianische Ritterakademie. 1760 bis 1761 unterzog er sich dem dritten Probejahr in Judenburg, das er großteils durch Missionen in verschiedenen Pfarren in der Obersteiermark ausfüllte. Nach zehn Monaten kehrte er in das Theresianum zurück und war dort dann Präfekt schon älterer, Jus studierender adeliger Zöglinge. Ab 1765 selbst Professor, übernahm er 15 Jahre hindurch das Lehramt der architektonischen Zeichnung mit den Grundsätzen der Zivil- und Militärbaukunst und lehrte die Theorie der Ingenieurkunst und Kriegswissenschaft.
Der Aufenthalt in Wien hat Schiffermüller mit einer Reihe von naturwissenschaftlich interes-sierten Männern zusammengebracht. Sein Mineralogieprofessor Franz besorgte 1745 die Ein-richtung des Jesuitenmuseums, das sehr schöne Sammlungen enthielt. Auch Franz Stephan von Lothringen, der Gemahl der Kaiserin Maria Theresia, unterhielt ein Naturalienkabinett. Das große Interesse für Naturobjekte auf hoher und höchster Ebene ist sicherlich Schiffermüller bekannt gewesen. Er fing also 1757 mit dem Sammeln von Insekten an, zuerst immer nur, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Die erbeuteten Stücke, vorzugsweise Schmetterlinge, ord-nete er in seinem sorgfältig verschlossenen Zimmer nach ihren "einleuchtenden Verwandtschaften". Auf die Dauer konnte er seine Beschäftigung nicht geheim halten. Er wurde beob-achtet und musste dem Drängen seiner Freunde nachgeben, ihnen seine Sammlung zu zeigen. Der damalige Direktor des Theresianums, KERENS, wollte ihn dazu überreden, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen, was er sich neben seinen Amtspflichten aber nicht zutraute. Erst als der Dichter Michael Denis, übrigens ebenfalls ein Oberösterreicher, ihm seine Mithilfe zusi-cherte, stimmte er zu. Gemeinsam machten sie nun Sammelexkursionen um Wien. Von 1770 bis 1774 wurden immer wieder auch bis zu zehn Tage lange Reisen auf den pflanzenreichen Schneeberg, den Ötscher usw. unternommen. Auch Zöglinge des Theresianums beteiligten sich an der Schmetterlingsjagd. Schiffermüller hatte mittlerweile 400 verschiedene Raupen beobachtet und Schmetterlinge daraus gezogen. Er saß mit seinem Freund Denis in den freien Stunden beisammen und bestimmte nach LINNÉs 13. Auflage der "Systema naturae" die Kollektion. Viele Gedanken machte er sich auch über die so verschiedenen Farben seiner Schmetterlinge und Raupen. Seine Erkenntnisse darüber publizierte er 1772 unter dem Titel "Versuch eines Farbensystems". Auch die Bearbeitung des Schmetterlingswerkes machte Fortschritte. Da kam die für beide unangenehme Nachricht, dass Papst Klemens XIV. mittels Bulle vom 21. 7. 1773 den Je-suitenorden aufgehoben hatte, in Österreich wurde die Auflösung am 14. 9. verwirklicht. Denis bekam nun die Betreuung der Garellischen Bibliothek zugeteilt und hatte keine Zeit mehr für die Schmetterlingsfauna. Schiffermüller arbeitete also alleine an diesem umfangreichen Ver-zeichnis weiter. Immerhin wurden 1150 Schmetterlinge erfasst, LINNÉ waren nur 450 bekannt gewesen! 1775 war es dann soweit: Ende des Jahres erschien eine "Ankündung ..." des Werkes, die sich nur in wenigen Details von dem 1776 ausgelieferten Band "Systematisches Verzeichnis der Schmetterlinge der Wienergegend herausgegeben von einigen Lehrern am k. k. Theresianum" unterschied. Ursprünglich wäre geplant gewesen, das Werk zu erweitern und auch die in Österreich gefundenen Käfer in ähnlicher Form herauszubringen. Doch traf bald auch Schiffermüller ein "widriges, alles zerstörendes Schicksal", wie er selbst mitteilte. Anfang 1777 musste er erfahren, dass ihn die Monarchin höchstpersönlich als Leiter des Nordischen Collegiums nach Linz zu versetzen gedachte. Er sollte sich also um diese Stelle bewerben, wollte aber nicht. Das Drängen der Kaiserin wurde immer bestimmter, sodass er schließlich nicht umhin konnte, den Posten anzunehmen. Schweren Herzens trennte er sich von Wien.
Nach Linz nahm Schiffermüller seine sämtlichen Sammlungen mit. Die Betreuung der etwa 50 Zöglinge ließ ihm aber keine Zeit, seine Forschungen weiter betreiben zu können. Schon im ersten Jahr besuchte der bekannte Naturforscher Franz de Paula Schrank seinen 20 Jahre älteren Ordensbruder in Linz. Schiffermüller ließ ihn seine Käfersammlung auswerten. Etwa von Mitte April bis Mitte Mai 1783 weilte Schrank abermals bei Schiffermüller in Linz, um die Käfersammlung zu bearbeiten.
Weil die Einnahmen die Ausgaben nicht mehr deckten, wurden in Wien 1784 und 1785 die Theresianische und Savoyische Akademie geschlossen. Auch die Nordische Stiftung in Linz war schon bedroht. Im Oktober 1786 besuchte Kaiser Joseph II. Linz und war sehr angetan. Schiffermüller und alle anderen schöpften Hoffnung, doch war die Auflösung im Jahr zuvor in Wien schon beschlossene Sache gewesen, in Ansehung der Bedeutung dieser Institution ist sie aber erst 1788 vor sich gegangen.
Nun gedachte Schiffermüller, nach Wien zurückzukehren, wieder unter seinen teuren Freunden zu leben und die lange unterbrochenen Studien wieder aufzunehmen. Ein paar Monate vorher begann allerdings der Krieg gegen das Osmanische Reich (1788-1791). Er ließ sich davon überzeugen, dass der Hof ihn lieber mit einer ansehnlichen Pfründe als mit einer Pension belohnen wollte. Nach einigen Schwierigkeiten bekam er die landesfürstliche Pfarre Waizenkirchen. Schiffermüller lebte dann sehr gerne in Waizenkirchen, Zeit für die Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Arbeiten fand er aber wieder nicht. Am 21. 6. 1806 entdeckte man ihn zu Mittag tot am Boden liegend. Das Begräbnis fand am 23. 6. in Waizenkirchen statt.
Das Schicksal der Sammlungen Schiffermüllers ist ein weiteres Kapitel österreichischer Wissenschaftsgeschichte. Bald nach seinem Ableben hatte sich das Naturhistorische Museum zu London um die viele Typen enthaltende Schmetterlingssammlung bemüht. Der Linzer Arzt und Coleopterologe Caspar Erasmus Duftschmid hat sich aber sehr dafür eingesetzt, die Sammlung nach Wien zu bringen. Dem eben eingesetzten neuen Leiter des kaiserlichen Naturalienkabinetts in Wien, Carl Schreibers, ist es denn auch gelungen, sie für Wien zu erwerben. Wegen der schlechten Straßenverhältnisse und Transportmöglichkeiten wurden eigene Tragbahren konstruiert und angefertigt, um die Sammlung möglichst erschütterungsfrei nach Wien bringen zu können.
Im Revolutionsjahr 1848 kam es dann zur Katastrophe. Am 31. 10. ließ Fürst Windischgrätz die innere Stadt Wien beschießen. Schon bald nachdem die Beschießung begonnen hatte, schlug eine kaiserliche Brandrakete in das Dach der Augustinerkirche ein, das sich dicht an jenes des kaiserlichen Hof-Naturalien-Cabinets anschloss, und setzte den Dachstuhl in Flammen. Das Feuer griff rasch um sich und dehnte sich in Windeseile über das ganze Dach des Naturalienkabinetts bis hin zum Hofbibliotheksgebäude aus. Der Dachstuhl und die am Dachboden gelagerten Sammlungen wurden sofort ein Raub der Flammen. Was dieses nicht zerstören konnten, zerstörten die Feuerwehrmänner. So wurden inmitten einer höchst verheißungsvollen Periode die schönsten und wertvollsten naturwissenschaftlichen Sammlungen Österreichs vernichtet, auch die Schmetterlinge und Käfer Schiffermüllers!
Zusammengefasst und leicht verändert aus:
SPETA F. (1988): Ignaz Schiffermüller, in seiner Heimat vergessen! - In: Das Mühlviertel - Natur Kultur Leben, Linz, 141-146. (aus Denisia 8/2003: p. 11-14).



Ignaz Schiffermüller.
Während zu Ende des achtzehnten und weiter ins neunzehnte Jahrhundert in Österreich eine rege entomologische Tätigkeit, hauptsächlich in Wien konzentriert war, ist es bemerkenswert, daß wohl der erste wissenschaftlich arbeitende Lepidopterologe unserem engeren Heimatland Oberösterreich entstammte. Es ist dies der in allen Fachkreisen bekannte Ignaz Schiffermüller, der am 2. November 1727 in Hellmonsödt bei Linz, bürgerlichen Eltern entstammend, geboren und in Linz erzogen wurde. Nach Beendigung seiner Gymnasialzeit trat er 1746 in den Orden der Gesellschaft Jesu ein, studierte dann in Wien Theologie, wo er sich bei einigen Lehrern auch botanischen, mineralogischen und ornithologischen Studien hingab und sich eingehend mit Numismatik beschäftigt hatte. Schließlich erlangte er auch die Priesterweihe und wurde Subregent im Seminar zu St. Pankraz.
Im Jahre 1759 wurde er an das k. k. Theresianum in Wien berufen, wo er unter anderem durch 15 Jahre auch architektonisches Zeichnen für Zivil- und Militärbaukunst lehrte; aber immer blieb er seiner Lieblingsbeschäftigung, den Naturwissenschaften, treu und widmete sich mit besonderem Eifer der Schmetterlingskunde. Durch diese wurde wohl auch seine Vorliebe für das Farbenstudium genährt, denn im Jahre 1772 kam von ihm eine Abhandlung "Versuch eines Farbensystems" heraus, das dem Fürsten Kaunitz gewidmet war und bei dem Buchhändler Bernardi in Wien verlegt wurde und folgende Abschnitte enthält: I. Beweggründe und Endzweck des gegenwärtigen Unternehmens. II. Entwurf einer ordentlichen Sammlung der bekannten Farben. III. Versuch einiger allgemeiner Regeln von Farbenzusammensetzungen. IV. Anordnung der trüben Farben und Einrichtung der Farbenbenennungen. V. Anmerkungen über die angeführten Farbennamen. VI. Farben und Mischungen, die diese Fache zu bemalen sind angewandt worden. VII. Materialien und derselben Zubereitung, um die oben genannten Farben auch in der Fresco-, Email- und Pastelmalerey zu erhalten. VIII. Farbstoffe und ihre Anwendung um die Schattierung von blauen Farben in der Oelmalerey hervorzubringen. IX. Materialien und Kunstgriffe, derer sich zur Hervorbringung blauer oder auch schwarzer Farben die Färberey bedient." Den blauen Farben wird ein größerer Raum gewidmet und zuweilen historisch bis auf die Griechen und Römer zurückgegangen.
Das Werk enthält auch eine hübsche symbolische Kupfertafel, in deren Mitte sich ein Kreisring mit den Spektralfarben befindet. Die zwölf ineinanderfließenden Farben beginnen mit Blau, dem Meergrün, Grün, Olivengrün, Gelb, Oraniengelb, Feuerrot, Rot, Karmesinrot,Veilenrot, Veilenblau, Feuerblau folgen, um sich wieder mit Blau zu schließen. Ebenso ist eine Tafel mit 36 verschiedenen Blau und hiezu eine Tabelle mit deutschen, lateinischen und französischen Namen beigegeben. Schiffermüller befaßte sich auch mit Miniaturmalerei und hatte bereits 400 Raupen nach der Natur gemalt, die sicherlich für ein herauszugebendes größeres Werk bestimmt waren.
1776 erschien dann das damals aufsehenerregende Werk: "Systematisches Verzeichnis der Schmetterlinge der Wiener Gegend*1), herausgegeben von einigen Lehrern am k. k. Theresianum", ebenfalls bei Bernardi in Wien verlegt, wobei als hauptsächlichster Bearbeiter Schiffermüller*2) anzusehen ist. Diese Arbeit, die mit vielen Neubeschreibungen versehen ist, behandelt 1150 (gegenüber von Linné mit 450) Falterarten aus der Umgebung von Wien, wozu wohl auch alpine Arten vom Wiener Schneeberg einbezogen wurden. Dabei stützte man sich im allgemeinen auf die Linésche Systematik, allerdings gestaltete sich diese insoferne anders, als auch die ersten Entwicklungsstadien in das System zur Eingliederung kamen, wodurch mehr die natürliche Verwandtschaft der Arten zum Ausdruck gebracht werden konnte. Auf Grund dieser Neuerungen stellten dann auch Fabricius, Borkhausen, Ochsenheimer und Treitschke ihre Werke auf.
Das Werk enthält, wie bereits erwähnt, eine Vorrede und folgende Abschnitte: I. Entwurf des Werkes. II. Kurzer Unterricht von den vier Ständen der Schmetterlinge überhaupt. III. Gedanken von der Stelle der Schmetterlinge im Tierreich, ihre Folge untereinander und ihre Namen. IV. Versuch einer Eintheilung der Schmetterlinge mit Zuziehung ihrer Raupen. V. Von den Farben der Schmetterlinge, worauf als VI. Abschnitt der systematische Teil folgt, und zwar stellt er die Schmetterlinge in die erste Ordnung der Insektenklasse. Die weitere Einteilung ist dann bereits ähnlich unserer heutigen, nur fängt er mit den Schwärmern an und läßt die Tagfalter zuletzt folgen. Der VII. behandelt die Betrachtung über die gegenwärtige Anordnung der uns bekannten Schmetterlinge sowie eine Erläuterung von Zweifeln und Einwürfen; diesen beiden Kapiteln ist ein längerer Raum gewidmet. Der VIII. Abschnitt bringt eine Erklärung des Titelkupfers. Auf diesem ist ein honigsaugender Kolibri abgebildet, dem ein Schwärmer folgt, was den Übergang von den Vögeln zu den Schmetterlingen versinnbildlichen soll, dem noch andere Falter und eine Libelle folgen. Spielende Putten mit den Apollofaltern entliehenen Flügeln beleben eine hübsche Gartenanlage, das liebliche Bild ergänzen noch im Kranze gewundene Blumen, von naschenden Kolibris und Schmetterlingen belebt. Der IX. Abschnitt enthält eine Erklärung der zwei übrigen Kupfertafeln, auf welchen aus allen Abteilungen ein Falter zur Abbildung gebracht ist und einer längeren Abhandlung unterzogen wird.
Der Genannte schrieb auch noch eine Ährenlese der Geschichte der Insekten Österreichs und eine Beschreibung des von ihm angelegten ökonomisch-botanischen Gartens und mehrere kleine Schriften.
Nach Auflösung des Jesuitenordens durch Kaiser Josef II. kam dieser vielseitige Gelehrte, nachdem er auch korrespondierendes Mitglied der Naturforschenden Freunde in Berlin geworden war und mit dem Titel eines "Kaiserlichen Rates" ausgezeichnet, an das Nordische Stift*3) in Linz. Hier widmete er sich ganz seiner Aufgabe, so daß ihm für seine Lieblingsbeschäftigung keine Zeit blieb; trotzdem unterließ er es nicht, seine Zöglinge, bei denen er in hoher Verehrung stand, für das Sammeln anzueifern und zu unterrichten, wie überhaupt das Kollegium unter seiner Leitung sich eines ausgezeichneten Rufes erfreute. Schiffermüller legte dort einen botanischen Garten an, dessen einzelne in- und ausländische Gewächse er mit lateinischen, deutschen und französischen Namen versehen ließ, besonders auch solche Pflanzen, die dem Menschen als Nahrung, Gewürz oder zu Farbstoffen dienen, wurden besonders gepflegt. Ebenso unterhielt er Behälter mit Fischen aus der Donau und Traun sowie eine ornithologische Präparatensammlung von heimischen oder hier erlegten ausländischen Tieren. Im Jahre 1788 wurde das Stift aufgehoben.
Schiffermüller kam darauf als Dechant in die Pfarre nach Waizenkirchen, um schließlich wieder nach Linz als Titulardomherr zu kommen,wo er sich nun wieder mehr seinem Lieblingsstudium hingeben konnte; doch sollte dies leider nicht mehr von allzulanger Dauer sein, da sich immer mehr die Altersschwäche bemerkbar machte und zuletzt Brustwassersucht eintrat. Der 21. Juni des Jahres 1806 machte seinem Leiden und damit seinem arbeitsreichen Leben ein Ende.
Der Genannte besaß eine Münz-, eine Mineralien- und eine höchst interessante Schmetterlingssammlung*4), welch letztere durch die Bemühung des Herrn Kabinettdirektors Schreiber dem k. k. Naturalienkabinett in Wien einverleibt wurde. Nach v. Wurzbach*5) ist es dem Arzt und Naturforscher Kaspar Duftschmid*6) in Linz zu verdanken, daß die Sammlung, welche bereits für England bestimmt war, in das k. k. Naturalienkabinett kam. Nach Rebel*7) ging die Sammlung der Theresianer bei einem Brande im Jahre 1848 zugrunde. Eine Käfersammlung hatte Schiffermüller bereits vorher dem Naturalienkabinett zum Geschenk gemacht, wofür er die goldene Ehrenmedaille erhielt.
Nicht übergehen dürfen wir, was unsere alten Meister der Lepidopterologie über das Wiener Verzeichnis - wie es auch öfters genannt wurde - sagten : Vorerst der Naturforscher und Forstmann Moritz Balthasar Borkhausen (1760-1806)*3): "Das größte Verdienst unter den neueren Entomologen haben Denis und Schiffermüller in der Naturgeschichte der Schmetterlinge. Das Systematische Verzeichnis der Schmetterlinge der Wiener Gegend, welches nur der Vorläufer eines größeren Werkes, das sie zu liefern versprochen haben, ist, giebt einen Beweis ihres Fleißes. Sie haben nicht nur einen außerordentlichen Reichthum entdeckt, sondern sind auch in das Innere der Naturgeschichte eingedrungen. Es war ihnen nicht genug das Insekt in seiner Vollkommenheit zu kennen, nein, sie untersuchten es auch in seinem Larvenzustand, stellten Vergleiche unter den Raupen und den aus ihnen entstehenden Schmetterlingenn an, spürten den Plan nach, den die Natur in Bildung dieser Geschöpfe vorgezeichnet hatte, fanden wie sie sich immer in Bildung verwandter Arten, in allen ihren verschiedenen Zuständen gleich bliebe, legten das Linnésche System zu Grund, bauten darauf nach ihren Beobachtungen weiter fort und versuchten es, die Schmetterlinge mit Rücksicht auf ihren höheren und niederen Zustand zu klassifizieren ... Doch auch da, wo eine vollständige Naturgeschichte des Insekts mangelte, wußten sich diese großen Männer zu helfen. Von dem Bau, von der Zeichnung des Schmetterlings, worin er mit anderen, deren ganze Naturgeschichte bekannt war, übereinstimmte, schlossen sie analogisch auf seine Raupe und klassifizierten beide darnach, und die Erfahrung hat schon bei vielen gelehrt, daß sie ganz richtig geschlossen hatten ..."
Der Entomologe Johann Karl Wilhelm Illiger (1775-1813)*9), Professor und Direktor des Zoologischen Museums in Berlin, gab neuerlich das Schiffermüllersche Werk unter dem Titel: "Systematisches Verzeichnis der Schmetterlinge der Wiener Gegend. Herausgegeben von einigen Lehrern am kaiserl. königl. Theresianum in Wien. Mit einer Synonymie der vorzüglichsten Schriftsteller mit vielen Anmerkungen und Zusätzen von neuem herausgegeben. In zwey Bänden. Braunschweig, 1801" heraus. Beide Bände enthalten die Widmung: "Herrn Michael Denis, kais. königl. wirklichem Hofrathe und ersten Kustos der Hofbibliothek in Wien und Herrn Ignatz Schieffermüller, kais. königl. Rathe, Dechanten zu Weitzenkirchen und Konsistorialrathe des Linzer Kirchensprengels zu Weitzenkirchen in Oberösterreich widmet diese Ausgabe ihres Meisterwerkes voll der innigsten Hochachtung der Herausgeber."
In der aus 17 Seiten bestehenden Vorrede dieses Herausgebers wird unter anderem gesagt: "Das Schmetterlingssystem, welches hier vor dem Publikum in einem neuen Gewande erscheint, machte zu der Zeit seiner Bekanntmachung, vor zwanzig Jahren, Epoche und ist noch immer eines der scharfsinnigsten und erfahrungvollsten naturgeschichtlichen Werke. Nicht bloß die Menge darin enthaltenen Arten - auch die vielen äußerst glücklichen Zusammenstellungen der Verwandtschaften und der Reichthum an Abtheilungen, an neuen und trefflichen Merkmalen machen es dem Systematiker, die vielen Beobachtungen über die Raupen, ihre Nahrung und Verwandlungsweise und über die Lebensart der daraus hervorgehenden Schmetterlinge, dem Naturforscher und dem Freunde dieser schönen Tiere äußerst wichtig. Das Ansehen, in welches es sich gleich Anfangs gesetzt hat, ist noch nicht gesunken; es ist in den neuesten Zeiten noch gestiegen, da der Gesetzgeber der Insektenforscher, Fabricius, mit so großer Sorgfalt auf dieses Werk sich beruft und den hier gegebenen Namen vor anderen den Vorzug einräumt, da das vollständigste Schmetterlingswerk, das des genauen Borkhausen, auf das Wiener System sich gründet und da Wien, durch eines Denis und Schiffermüllers Beispiel angefeuert, auch jetzt noch in dem Besitze der reichsten Schmetterlingssammlungen ist und aus seinen reichhaltigen Gegenden die erstaunlichste Mannigfaltigkeit von Arten zum überflüssigen Versorgen der deutschen Sammlungen zieht ... Die Eigenheit dieses Ordnungsgebäudes der Schmetterlinge besteht darin, daß bei den Gattungen sowohl, wie bei den zahlreichen Familien, worin diese Gattungen (sollte richtig Arten heißen) aufgelöst sind, die Merkmale von den drei Hauptständen des Insekts zugleich hergenommen werden : von der Raupe, der Puppe und dem ausgebildeten Schmetterlinge ... Denis und Schiffermüller gründeten auf diese Wahrnehmung zuerst ein vollständiges Ordnungsgebäude. Jeder der die großen Schwierigkeiten kennt, welche bei den ausschließlich von dem ausgebildeten Schmetterlinge hergenommenen Kennzeichen obwalten, wird dieses System gewiß als eine der vorzüglichsten Stützen für die Insektenkunde betrachten."
"Denis lebt in Wien. Vor kurzem sang er die Jagd der Schmetterlinge, aber mit der Auseinanderwicklung der verworrenen Synonymie, mit der ermüdenden Arbeit der Beschreibung wird der verdienstvolle Greis nicht mehr sein Ruhe verlangendes Alter mühevoll und verdrieslich machen. Schiffermüller wohnt in Linz; er hat die Sammlung, in der die meisten der hier vorkommenden Arten sich befinden, bei sich und unterstützt jetzt das von Hübner herauskommende Raupenwerk ..."
Bei Jakob Hübner (1761-1826) heißt es im Vorwort seines berühmten Werkes *10) unter anderem: "Die Grundlage, welche ich zu diesem Werke legte, ruht zuvörderst auf linné'schen, schiffermüller'schen und fabricius'schen Gründen, die ihrer Bewährtheit, wohl niemals zu verwerfen seyn werden. Benütze ich diese etwa zu ausgedehnt oder zu eingeschränkt, so wird es mir hoffentlich zu verzeihen seyn, weil das durchaus noch zu frühe ist, ein vollkommenes naturgemäßes System aufstellen zu können. Die vom Herrn Archiater von Linné, den Herren Theresianern Schiffermüller und Denis und Herrn Prof. Fabricius den Schmetterlingen ertheilten Namen ziehe ich nach ihrem Alter, ihrer Trefflichkeit und dem Bedürfnisse allen neueren der späteren Schriftsteller vor. Sehr vieles mußte ich erst von dem verdienstvollen Urheber der Ursammlung deutschländischer Schmetterlinge und ihres natürlichen Systems durch die mir von ihm selbst aufgedrungenen Ansicht und Untersuchung dieser Sammlung und anbey ertheilte Belehrungen und Aufschlüsse, gehörig anwenden lernen."
Ferdinand Ochsenheimer (1767-1822*11) sagt bezugnehmend auf die ersten Stände: "Dieses thaten die Verfasser des Verzeichnis der Schmetterlinge der Wiener Gegend, indem sie ein System aufstellten, das sich zwar auf einen großen Theil der in Deutschland wohnenden Schmetterlinge erstreckt, aber durch die Bestimmtheit der angegebenen Charaktere, durch die Anzahl der Abtheilungen und die glücklichen Zusammenstellungen der Verwandtschaften sich den Ruhm des scharfsinnigsten Werkes in diesem Theile der Entomologie und die gerechtesten Ansprüche auf den Dank des Zeitalters und der Nachwelt erwarb. Bey der augenscheinlichen Unzulänglichkeit einzelner Merkmale, welche den vollendeten Schmetterling von den verwandten Arten unterscheiden, nehmen sie auf die ersten Stände desselben Rücksicht und stellten dadurch einen Eintheilungsgrund auf, der allen gemeinschaftlich und doch wieder bey allen verschieden ist, und den Vortheil gewährt, auf eine leichte Art Gattungen und Arten zu unterscheiden. Indem ich diesem System überhaupt folge und die Verdienste dankbar anerkenne, benütze ich alle Erläuterungen, welche seit seiner Erscheinung, besonders in Ansehung zweifelhafter Arten, darüber gegeben wurden, und mache zugleich den Versuch, das, was ich bey andern Schriftstellern Brauchbares und zweckmäßiges gefunden habe damit zu vereinigen. Herr Hübner hat sich durch seine meist vortrefflichen Abbildungen die entschiedensten Verdienste erworben; sein Schmetterlingswerk verdient schon um desswillen in Jedermanns Händen zu seyn, und seine Verbindung mit dem ehrwürdigen Schiffermüller erweckt ihm, ungeachtet mancher Collisionen mit den Angaben des Herrn Fabricius, den Glauben an die Richtigkeit seiner Bestimmungen in Betreff des Wiener Verzeichnisses ..." Einige Male macht auch Ochsenheimer aufmerksam, diesen oder jenen Falter in der Sammlung Schiffermüllers gesehen zu haben.
Zu erwähnen ist noch die "Erwiderung" von Prof. Dr. Courvoisier in Genf *12) auf eine Angabe in der Iris, 1913, Dresden, wo die Verfasser Denis und Schiffermüller als die Herausgeber des anonym erschienenen Wiener Verzeichnisses angezweifelt wurden und gesagt wird, daß das genannte Werk nur ein Katalog bzw. ein Verzeichnis und die darinnen neubeschriebenen Arten nur Nomina nuda wären. Das erstere scheint durch die vorhergehenden Ausführungenn zur Genüge widerlegt. Was die Nomina nuda betrifft sind wohl einige Falter viel zu mangelhaft beschrieben und besitzen außer dem deutschen und lateinischen Namen keine weiteren Kennzeichen. Somit dürfte nach den Nomenklaturregeln der Name Schiffermüller eigentlich nicht als Autor aufscheinen. Doch ist da in Erwägung zu ziehen, daß zur Zeit Schiffermüllers seine benannten Arten unter diesen Namen so eingebürgert und bekannt waren, daß jeder ernste Entomologe zur Zeit genau wußte, um welchen Falter es sich handelte. - In ähnlicher Weise hat auch Courvoisier erwidert.
Nach dem Verfasser des "Wiener Verzeichnisses" hat Dr. 0. Staudinger in seinem Katalog, Edition II, p. 64 eine Psychide "Scioptera schiffermuelleri" benannt. Schiffermüller selbst benannte nach der dritten Auflage des Staudinger- Rebel-Kataloges 1901 folgende Species, Subspecies und Aberrationes: siehe im Originaltext!
Wenn man auch bei Neubeschreibungen um seine Zeit noch ins Volle greifen konnte, so zeigen doch die rund 150 Arten von dem Wert seines Buches. Was das Werk in unserer Musealbibliothek betrifft, so ist zu erwähnen, daß das vorangeführte Farbenwerk zugebunden ist und es außerdem zwölf mit Seitenzahlen versehene handkolorierte Tafeln enthält, auf welchen zwei bis vier Falter mit dem Laub der Futterpflanze ihrer Raupe abgebildet sind. Nur die Tafel 12 enthält zwei Raupen und Puppen, Oleanderschwärmer und Totenkopf. Die Abbildungen sind recht gut, reichen aber im allgemeinen an jene von Hübner nicht heran, ab und zu wurden nichtbeständige Farben verwendet. Interessant ist, daß die Falter fast ausnahmslos in der normalen deutschen Spannung wiedergegeben sind, da in den älteren Werken überall bis in die Neunzigerjahre die alte englische Spannung verwendet wurde. Auch enthält das Werk ein handschriftliches Verzeichnis (Tabelle) nach dem Werke Hübners über die Tagfalter, wozu die Synonyme der lateinischen Artnamen nach dem Wiener Verzeichnis, Fabricius, Borkhausen, Herbst und anderen vermerkt sind. Zum Schluß folgen noch vier Tafeln mit minder guten (schülerhaften) handgemalten Abbildungen von Raupen sowie eine Anzahl leerer Blätter. Außerdem ist der systematische Teil bei vielen Arten mit handschriftlichen Vermerkungen (Änderung der lateinischen Namen, Erscheinungszeit der Raupen etc.) versehen; von wem jedoch dieselben herrühren ist nicht ersichtlich. Es war ja geplant, das Werk neu erweitert und verbessert mit kolorierten Tafeln versehen herauszugeben, wozu es aber nicht mehr kam. Inzwischen ist es in einer zweiten Auflage durch Illiger, wie bereits erwähnt, herausgegeben worden, in der sich die Anzahl der Arten auf fast 2400 erhöhte.
Was die Schreibweise des Autors betrifft, so sei angeführt, daß in den meisten Handbüchern und anderen Werken wie auch in der dritten Auflage des Staudinger-Rebel-Kataloges der Name in der dritten Silbe mit "i" geschrieben ist. Fabricius schreibt sogar Schieffermyller. Im genannten Farbenwerk scheint er als Herausgeber, als auch in der Unterzeichnung seiner Widmung als Schiffermüller auf, also die dritte Silbe mit "ü" geschrieben. Im Wurzbach (biographisches Lexikon) ist der Name mit "i" geschrieben, es enthält aber die Bemerkung, daß bald Schiffermiller, bald Schiffermüller geschrieben wird. In dem genannten biographischen Werke, das sich in unserer Musealbibliothek befindet, trägt der Name Schiffermüller in Blei als Fußnote die Anmerkung : "Er selbst unterschreibt sich Schiffermüller." Jedenfalls ist dies die richtige Schreibweise.
*1) Die Vorrede hiezu wurde bereits 1771 verfaßt und beginnt mit den Worten: "Sie sind vorüber die Zeiten, in welchen man einen fleißigen Untersucher der einheimischen Natur im kleinen für seine Bemühungen mit Spott und Gelächter belohnte usw." Auch heute ist es in dieser Hinsicht nicht viel besser geworden oder man wird für nicht ganz normal erklärt.
*2) Hiebei wurde Schiffermüller auch von dem gleichfalls am Theresianum tätigen Lehrer Michael Denis S. J. sichtlich unterstützt (Geboren 1729 in Schärding, gestorben 1800 als erster Kustos und Hofrat an der k. k. Hofbibliothek in Wien).
*3) Das heutige Bundesgerichtsgebäude mit dem anschließenden Komplex bis zur Bethlehemstraße, auf dem auch die jetzige Realschule steht.
*4) Intelligenzblatt der Annalen der Literatur und Kunst im Österr. Kaisertum, erster Bd. 1809.
*5) Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich, Wien, 29. Teil, p. 295.
*6) Geb. 1767 in Gmunden, gest. 1821 in Linz. Vermutlich Vater des Arztes und Botanikers Dr. Johann Duftschmid, geb. 1804, gest. 1866 in Linz, der bekannte Verfasser der "Flora von Oberösterreich", die in den Jahrbüchern von 1870-1880 des oberöst. Musealvereines herausgegeben wurde und sich heute noch großer Wertschätzung erfreut.
Biograph. Lexikon, dritter Teil, p. 238 u. 387 und biographisches Lexikon des Landes Österreich ob der Enns seit 1800 von Dr. Ferdinand Krakowizer und Dr. Franz Berger, Passau und Linz, 1931.
7*) Geschichte der Lepidopterologie in Österreich. Festschrift anläßlich des fünfzigjährigen Bestandes der k. k. Zool.-Bot. Gesellschaft in Wien, 1901, p. 315. Das Poggendorfsche biographisch-literarische Handwörterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften, Leipzig 1859 stand mir leider nicht zur Verfügung.
*8) Naturgeschichte der europäischen Schmetterlinge nach systematischer Ordnung. Frankfurt 1788-1794, 5 Bde., Vorrede, p. IX und X.
*9) Der bekannte Herausgeber des "Magazins für Insektenkunde", Braunschweig, 1801-1806.
*10) Sammlung europäischer Schmetterlinge, Augsburg, 1805.
*11) Die Schmetterlinge Europas. 10 Bände. Einleitung p. 12. Von diesem vorzüglichen Werke behandelte Ochsenheimer die ersten vier Bände, während die übrigen von Friedrich Treitschke (1776-1842) verfaßt wurden.
*12) Internat. Entomolog. Zeitschrift Geben, 7. Jahrg. 1913/14, p. 63.
aus Hoffmann E., 1952: Ignaz Schiffermüller. - Z. Wiener Ent. Ges. 37: 57-65.


Lebenslauf (Nachschrift) Ignaz Schiffermüller aus: Zeitschrift der Wiener Entomologischen Gesellschaft 37. Jahrgang, 1952, 207, Hoffmann E.


Ignaz Schiffermüller, der erste wissenschaftlich arbeitende Lepidopterologe, ein Sohn Oberösterreichs
Ignaz Schiffermüller, dem in allen Fachkreisen bekannten Entomologen, ist in Fortsetzung unserer Artikelserie über "Pflanzen und Tiere, deren Bezeichnung die Namen einheimischer Forscher enthalten" der folgende Beitrag gewidmet.
"Scioptera schiffermuelleri" hat Doktor O. Staudinger in seinem Katalog, Edition II, eine Psychide benannt. In der "Stettiner Entomologischen Zeitung" 1889 wurde dieser hochalpine Schmetterling von Habich beschrieben. Die Psychiden wurden bei uns am Wiener Schneeberg, im Allgäu, in den Julischen Alpen, am Kleinen Pyhrgas, im Toten Gebirge, am Dachstein, Sarstein und Krippenstein gefunden. Ab 1900 Meter sind sie am Vormittag während der Sonnenstunden zu beobachten. Die Raupen bilden aus Pflanzenteilen einen Sack, an dessen Form die jeweilige Art der Psychiden erkannt werden kann.
Die Redaktion
Wer kennt sie nicht, die boshafte Karikatur des Insektenforschers, der, mit riesiger Botanisiertrommel, Fangnetz und Vergrößerungsglas bewaffnet, immer wieder in den Witzecken der Zeitschriften auftaucht? Diese sattsam bekannte Figur entstammt einer Zeit, in der die Pioniere der Insektenforschung gegen Vorurteile, Engstirnigkeit und Mißverständnisse ankämpfend, die Fundamente schufen, auf denen die heutige Entomologie, in Zusammenarbeit mit allen Zweigen der Naturwissenschaften, aber auch mit der Wirtschaft und der Technik, weiterbaut.
Naturgemäß konnte der Anstoß zum Studium des Lebens in der Natur erst im Zeitalter der Aufklärung erfolgen, einer Zeit also, in der sich der Wandel des Menschen vom demütig Empfangenden zum selbständig Denkenden vollzog. Und aus dieser Zeit, der Mitte des 18. Jahrhunderts, datiert auch unser Wissen um Männer, deren ernsthaftes Forschen den Insekten galt.
Wohl der erste wissenschaftlich arbeitende Lepidopterologe (Lepidopterologie = Schmetterlingskunde), dessen Name eng mit der Geschichte der Entomologie verknüpft ist, entstammt unserem Heimatland Oberösterreich: Ignaz Schiffermüller. *1) Er wurde am 2. November 1727 in Hellmonsödt bei Linz geboren und in Linz erzogen. Nach Beendigung seiner Gymnasialzeit trat er 1746 in den Orden der Gesellschaft Jesu ein, studierte in Wien Theologie, wo er auch eingehende botanische, mineralogische und ornithologische Studien betrieb. 1759 wurde er an das k. k. Theresianum in Wien berufen, blieb 15 Jahre dort und lehrte unter anderem auch architektonisches Zeichnen. Er beschäftigte sich aber weiter mit den Naturwissenschaften und widmete sich mit besonderem Eifer der Schmetterlingskunde; dadurch wurde wohl auch seine Vorliebe für das Farbenstudium genährt, dem er 1772 mit einer Abhandlung "Versuch eines Farbensystems" Rechnung trug.
Seinen unvergänglichen Ruhm als Entomologe begründete aber das 1776 erschienene aufsehenerregende Werk "Systematisches Verzeichnis der Schmetterlinge der Wiener Gegend", *2) das von ihm in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls am Theresianum wirkenden späteren Kustos der Hofbibliothek Michael Denis *3) herausgegeben wurde. Es behandelt 1150 Macro- und Microlepidopteren, wovon etwa 150 neu beschrieben und benannt wurden. Unter anderem sind darin allein sieben Spannerarten (Geometriden) von Schiffermüller bearbeitet worden. Sie tragen wie viele andere von ihm beschriebene Schmetterlinge seinen Autorennamen, abgekürzt mit Schiff. angegeben. Schiffermüller stützte sich im allgemeinen auf die Linnésche Systematik, wobei er diese unter Heranziehung der ersten Entwicklungsstadien bedeutend vertiefte und erweiterte. Das Werk erlangte rasch Verbreitung und wurde zum Fundament zahlreicher späterer systematischer Bearbeitungen. Der vielseitige Gelehrte kam 1775 nach Auflösung des Jesuitenordens, mit dem Titel "Kaiserlicher Rat" ausgezeichnet, an das Nordische Kollegium *4) in Linz, ein Internat für Zöglinge aus den nordischen Staaten (Nordicum). Neben seiner Lehrtätigkeit verstand er es, seine Schüler, die ihn sehr verehrten, zum Sammeln von Insekten anzueifern. Er legte überdies nach wissenschaftlichen Grundsätzen im Stift einen botanischen Garten an, dessen einzelne in- und ausländischen Gewächse er mit lateinischen, deutschen und französischen Bezeichnungen versah. Besondere Pflege erhielten solche Pflanzen, die den Menschen als Nahrung, Gewürz oder zu Farbstoffen dienten. Auch ließ er eine ornithologische Präparatesammlung von heimischen oder hier erlegten ausländischen Tieren aufstellen und unterhielt Behälter mit Fischen aus Donau und Traun. 1788 wurde das Stift, das sich unter seiner Leitung eines ausgezeichneten Rufes erfreute, aufgehoben. (Das alte Nordicum, dessen Fassade renoviert wurde, wird später einmal das Linzer Stadtmuseum beherbergen.) Schiffermüller übernahm anschließend das Dekanat Waizenkirchen, kam aber schließlich wieder als Titulardomherr nach Linz zurück, wo er sich nun mehr seinen Lieblingsstudien widmen konnte; doch war dies nicht von anzulanger Dauer, da sich die Altersschwäche immer mehr bemerkbar machte. Nach einem arbeitsreichen Leben verschied er am 21. Juni 1806.
Neben seinen wissenschaftlich ungemein kostbaren entomologischen Sammlungen hinterließ er eine Mineralien- und eine Münzensammlung. Dem 1767 in Gmunden geborenen und 1821 in Linz verstorbenen Arzt und Naturforscher Dr. Kaspar Duftschmied (siehe Artikel in Heft 11) ist es zu verdanken, daß die höchst interessante Schmetterlingssammlung, die bereits für England bestimmt war, für das k. k. Naturalienkabinett gesichert werden konnte, welchem Schiffermüller bereits vor seinem Tod eine Käfersammlung zum Geschenk gemacht hatte.
Wie äußerten sich die Zeitgenossen Schiffermüllers, die alten Meister der Entomologie über das "Wiener Verzeichnis"?
Moritz Balthasar Borkhausen, Naturforscher und Forstmann: "... Das größte Verdienst unter den neueren Entomologen haben Denis und Schiffermüller in der Naturgeschichte der Schmetterlinge. Sie haben nicht nur einen außerordentlichen Reichtum entdeckt, sondern sind auch in das Innere der Naturgeschichte eingedrungen ...".
Johann Karl Wilhelm Illinger, Entomologe, Professor und Direktor des Zoologischen Museums in Berlin: " ... Das Schmetterlingssystem, welches hier in neuem Gewande erscheint, machte zur Zeit seiner Bekanntmachung vor 20 Jahren Epoche und ist eines der scharfsinnigsten und erfahrungsvollsten naturgeschichtlichen Werke ...". Der Insektenforscher Fabricius beruft sich mit großer Sorgfalt auf dieses Werk, dem er den Vorzug des vollständigen Schmetterlingswerkes einräumt.
Bei Jakob Hübner heißt es unter anderem: "... Die von den Herren Schiffermüller und Denis den Schmetterlingen erteilten Namen ziehe ich nach ihrem Alter, ihrer Trefflichkeit und dem Bedürfnis allen neueren der späteren Schriftsteller vor ...". In ähnlicher Weise haben sich auch Ferdinand Ochsenheimer und Professor Dr. Courvoisier in Genf geäußert. Nach zwei Artikeln von Emil Hoffmann und Otto Christl.
*1) Auch Schiffermiller geschrieben.
*2) Das im Linzer Landesmuseum vorhandene Exemplar dieses Werkes, das neben einer Anzahl handschriftlicher Ergänzungen auch die Farbenlehre Schiffermüllers beigebunden enthält, könnte sehr wohl aus dem persönlichen Besitz des Hauptautors stammen und sein Handexemplar gewesen sein.
*3) Geboren 1729 in Schärding a. I., gestorben 1800 als erster Kustos und Hofrat an der k. k. Hofbibliothck in Wien. (Wir werden in einer der nächsten Folgen des "Apollo" seine kurze Biographie bringen.)
*4) Das heutige Bundesgerichtsgebäude mit dem anschließenden Komplex bis zur Bethlehemstraße, auf dem auch die jetzige Realschule steht.
aus Kusdas K., 1970: Ignaz Schiffermüller, der erste wissenschaftlich arbeitende Lepidopterologe, ein Sohn Oberösterreichs. - Apollo 19, Linz: 1-2.


Schiffermüller Ignz, Ex-Jesuit, k. k. Rath, Consistorialrath, Jubelpriester, geb. zu Hellmonstödt am 4. November 1727, in die Gesellschaft Jesu eingetreten 1746, lehrte seit 1760 lateinische Sprache und Architektur am Theresianum in Wien, nach Aufhebung des Ordens Vorstand des Nordicums in Linz, Titular-Canonicus von Linz, Pfarrer und Dechant in Waizenkirchen 1783, gestorben am 21. Juni 1806.
aus Guppenberger P.L., 1893: Bibliographie des Clerus der Diözese Linz von deren Gründung bis zur Gegenwart 1785-1893. - Verl.kath.Pressever.Linz : 189-190.


Schiffermüller Ignaz
(gelehrter Jesuit, geb. zu Hellmonsödt in Oberösterreich 2. November 1727, gest. zu Linz im Jahre 1806). Trat 1746 nach beendeten Humanitätklassen, im Alter von 19 Jahren in den Orden der Gesellschaft Jesu, wo er seine Studien fortsetzte, zugleich aber im Lehramte verwendet wurde. Dabei auf seine eigene wissenschaftliche Ausbildung sorgfältig bedacht, hörte er unter P. Franz (Bd. IV, S. 342) Mineralogie, unter Khell (Bd. IX, S. 208) Numismatik, wobei er letzteren bei der Aufstellung und Ordnung verschiedener Münzsammlungen unterstützte; während seines Aufenthaltes in Passau, wo er an dem dortigen Gymnasium die Grammatik lehrte, studierte er bei dem Botaniker Johann Damian die Botanik, und als er nach in Wien beendeten theologischen Studien daß Baccalaureat und dann die Priesterwürde erlangte, wurde er Subregens im Seminar zum h. Pankraz. Im Jahre 1759 kam er in die Theresianische Ritterakademie, von dort im nächsten Jahre zur Vollendung des dritten Probejahres nach Judenburg, worauf er nach Wien in das Theresianum zurückkehrte und daselbst das Lehramt des architektonischen Zeichnens, der Zivil- und Militärbaukunst übernahm. Einige Zeit nach Aufhebung seines Ordens ernannte ihn die Kaiserin unter gleichzeitiger Verleihung des Titels eines k. k. Rathes zum Regens des nordischen Stiftes in Linz, welche Stelle vor ihm Sigmund Anton von Hohenwarth (Bd. IX, S. 208), der nachmalige Erzbischof von Wien, versehen hatte. Nachdem er mehrere Jahre dieses Posten bekleidet, wurde er im Jahre 1789 Pfarrer und Dechant zu Waizenkirchen, darauf Titular-Domherr zu Linz und starb im hohen Alter von 79 Jahren. S., ein Freund und Kenner der Naturgeschichte, war in seinem Fache auch schriftstellerisch tätig und sind von ihm folgende entomologische Werke im Drucke erschienen: (siehe Bibliographie-Link unten). Mehr aber, als gedruckt von S. erschienen, besaß er in Handschrift, und zwar einen Anhang zu seinem Schmetterling-Verzeichnisse, worin die Abbildungen jener Schmetterlinge aufgezählt sind, welche sich schon in Röfel's Belustigungen und in anderen Werken deutscher Entomologen vorfinden; Fortsetzungen über seinen Versuch eines Farbensystems; Abbildungen und Beschreibungen jener Schmetterlinge und Raupen, welche bis dahin noch in keinem Werke beschrieben waren; eine Beschreibung der bis dahin unbekannten Insekten mit harten Flügeldecken in den Erzherzogthümern; eine Darstellung seiner in Gemeinschaft mit dem Hofrathe Mygind in mehreren Jahren unternommenen Alpenreisen u.s.w. In Schrank's "Briefen naturhistorischen, physikalischen und ökonomischen Inhalts" veröffentlichte S. eine Auswahl der Geschichte der Insekten Österreichs und eine Beschreibung des von ihm angelegten ökonomisch-botanischen Gartens. Sein Verzeichnis der Schmetterlinge der Wiener Gegend vollendete S. in Gemeinschaft mit Michael Denis (Bd. III, S. 238) und eine vermehrte Ausgabe dieses Werkes in zwei Bänden gab später J. K. W. Illiger (Braunschweig 1801, 8.) heraus. Noch sei bemerkt, daß S. bald Schiffermiller, bald Schiffermüller geschrieben erscheint.
aus Wurzbach C.v., 1875: Schiffermüller Ignaz (Biographie). - Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich 29: 295-296.


ASPÖCK H. (1980): mit einem Zitat (gemeinsam mit M. DENIS, 1775) Neuropteren betreffend.


Kurzbiografie Ignaz Schiffermüller
Biografie Ignaz Schiffermüller
Nachruf Ignaz Schiffermüller (aus Apollo, Nachrichtenblatt Naturkdl. Station Linz, Bd. 19)
Nachruf Ignaz Schiffermueller (aus Denisia, Bd. 8)
Entomologische Forschung in Oberösterreich, Stand 1958 (Z. Wiener Ent. Ges. Bd. 43)
Ignaz Schiffermüller - in seiner Heimat vergessen (aus Mühlviertel Natur Kultur, Ausstellungskatalog zur Landesausstellung 1988 im Schloss Weinberg/Kefermarkt)
Das "Systematische Verzeichniß der Schmetterlinge der Wiener Gegend" sowie im Anhang die Arbeit "Versuch eines Farbensystems". Möglicherweise basiert das vorliegende pdf auf dem Handexemplar von Ignaz Schiffermüller
Die historische Portraitsammlung der Lepidoptera-Sammlung im Naturhistorischen Museum Wien - Vom Standesportrait bis zum "Entomologen-Selfie" des 19. Jahrhunderts (aus Quadrifinia 12, p. 192)
Überlegungen zum historischen Kontext der Publikationen von Denis & Schiffermüller (aus Nota Lep. 43)
Farbenspiel Ignaz Schiffermüller (aus Archiv Biologiezentrum Linz)
Der Botanische Garten am Bergschlößl in Linz (aus Archiv Biologiezentrum Linz)

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